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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Straßen von Sheffield und vermied es, einen Blick auf den Mann neben sich im Wagen zu werfen. Sie hatte ihn erst eine Weile neben der Beifahrertür warten lassen, ehe sie auf den Knopf gedrückt und die Zentralverriegelung geöffnet hatte. Nicht, dass sie Zweifel an seiner Identität gehabt hätte; sein brauner Mantel und das schüttere rötliche Haar waren auch durch die Regenschlieren zu erkennen, die ihre Autofenster überzogen. Nur war da diese leise Stimme in ihrem Hinterkopf, die sich immer bei ihr meldete, wenn sie im Begriff stand, etwas Dummes zu tun. Nach einem kurzen inneren Kampf hatte sie die Stimme schließlich so weit übertönt, dass sie ihn einsteigen lassen konnte.

    Als der Mann im Wagen saß, arbeiteten alle ihre Sinne auf Hochtouren, und alle ihre Muskeln waren angespannt angesichts möglicher Gefahren. Aber bisher wirkte der Mann noch nicht bedrohlich. Fry wusste jedoch, dass sie die Oberhand über die Situation behalten musste, damit es so blieb.
    »Unter welchem Namen ist sie untergetaucht?«, fragte sie.
    Sie konnte den Mann atmen hören. Er gehörte nicht zu denen, die schnelle Antworten lieferten, eine Gewohnheit, die er wahrscheinlich auf die harte Tour gelernt hatte.
    »Nicht unter dem, den Sie kennen«, erwiderte er.
    Fry war sich seines klobigen männlichen Körpers bewusst, der sich neben ihr auf dem Sitz breit machte, mit dem rechten Ellenbogen und dem rechten Bein zu nahe und damit zu dicht an ihrem persönlichen Sicherheitsabstand. Das Innere eines Wagens war zu beengend, als dass sie jemals anders empfunden hätte. Und dabei spielte es keine Rolle, wer neben ihr saß – ob einer ihrer Detective Constables, Gavin Murfin oder Ben Cooper, es war immer dasselbe. Eine Weile hatte sie tatsächlich überlegt, Murfin zu bitten, sich auf den Rücksitz zu setzen. Aber sie wusste, das hätte ihm gefallen, weil er dann so tun konnte, als wäre er der Fahrgast und sie sein Chauffeur. Außerdem, wer weiß, wie ihr Rücksitz darunter gelitten hätte. Im Winter war vorne auf der Fußmatte, wo Murfin seinen endlosen Vorrat an Junk-Food verstreut hatte, bereits Schimmelpilz gewachsen.
    »Nein, ich habe auch nicht angenommen, dass es der Name ist, den ich kenne«, sagte sie. »Deswegen frage ich Sie ja.«
    Er erwiderte nichts, und Fry wusste, dass er grinste, auch ohne sich ihm zuzuwenden. Sie versuchte, sich zu erinnern, ob sie noch eine Packung Luftverbesserer im Handschuhfach hatte. Sobald der Mann draußen war, würde sie so ein Bäumchen an den Rückspiegel hängen, damit nicht ein Geruchsmolekül sie mehr an ihn erinnerte.
    »Ich brauche aber einen Namen«, sagte sie. »Und ich brauche eine Adresse.«

    Sie konnte ihn in seinen Taschen kramen hören. Offensichtlich hatte er eine Schachtel Zigaretten herausgenommen, denn sie hörte ein Klicken und sah eine winzige Flamme aufleuchten, die sich in der Windschutzscheibe spiegelte.
    »Wenn Sie sich die Kippe in meinem Wagen anzünden, stopfe ich sie Ihnen in den Hals«, sagte sie drohend.
    Der Mann lachte, ließ die Flamme aber erlöschen.
    »Was machen Sie hier eigentlich allein?«, fragte er. »Wo ist Ihr Partner? Sollen Sie nicht immer paarweise arbeiten? Das könnte gefährlich werden. Vor allem für eine Frau.«
    »Nicht für mich.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Ich glaube Ihnen das aufs Wort, Schätzchen. Tausend andere aber nicht.«
    »Es ist mir scheißegal, was Sie glauben oder nicht. Ich bin nicht hier, um Ihre Auffassungsgabe zu testen oder zu überprüfen, ob Sie sehen, was direkt vor Ihrer Nase ist. Aber wenn Sie es darauf anlegen, werden Sie mich kennen lernen.«
    »Schon gut, schon gut. Beruhigen Sie sich wieder.«
    Fry drehte den Kopf und starrte aus dem Fenster auf der Fahrerseite, als könnte sie seine Anwesenheit vergessen, wenn sie ihn nicht aus den Augenwinkeln wahrnahm. Aber das leise Rascheln neben ihr, das Geräusch seines Atems, seine männlichen Ausdünstungen und der Schwefelgeruch des Streichholzes, das er angezündet hatte, drängten ihr seine Gegenwart geradezu auf. Sie wusste, dass zwischen den Sommersprossen und den rötlichen Haarbüscheln auf seiner Kopfhaut Regentropfen glänzten und dass sich dunkle, nasse Flecken auf den Schultern seines Mantels ausbreiteten. Die Wärme, die ihre beiden Körper verströmten, heizte allmählich das Innere des geparkten Wagens auf, und die Scheiben beschlugen. Fry kurbelte das Fenster ein paar Zentimeter herunter.

    Sie standen in einer Straße zwischen den dunklen, leeren Fassaden

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