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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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auf Eios ausgestrecktem Arm gelegen habe. Er schläft tief und fest, den anderen Arm über den Augen. Wir liegen neben der noch warmen Asche eines Feuers und um uns herum sehe ich weitere lang ausgestreckte Körper. Die meisten Ai’oaner schlafen noch, erschöpft von der langen Nacht, in der gefeiert und getanzt wurde. Nur ein paar Frauen sind bereits auf. Von Alai keine Spur. Das kleine Mädchen, das mir in der Nacht die Banane gebracht hat, sitzt nur ein paar Schritte entfernt. Sie flicht Palmwedel und beobachtet mich.
    Oh nein, nein, nein… Ich rapple mich auf und reiße mir die Girlanden herunter. Das blanke Entsetzen beschert mir einen eisigen Adrenalinschub, augenblicklich ist die morgendliche Lethargie verflogen.
    Es ist früher Morgen. Nein, es ist längst Tag. Das dichte Blätterdach des Regenwaldes lässt erst Licht bis zum Dschungelboden durch, wenn die Sonne bereits hoch am Himmel steht. In Little Cam werden alle gefrühstückt und sofort gemerkt haben, dass jemand fehlt.
    Ich.
    Eio erwacht und gähnt geräuschvoll, dann lacht er. »Pia-Vogel, in deinem Haar sitzt eine Heuschrecke.«
    »Eio, weshalb hast du es zugelassen, dass ich hier einschlafe?«, rufe ich und fahre mir wütend durch das Haar. Die Heuschrecke fällt auf meine Hand und wackelt entrüstet mit den langen Fühlern. Ich schüttle sie ab. Ich zittere vor Wut und Angst.
    Eio runzelt die Stirn. »Es zugelassen? Ich habe dich gefragt, ob du wirklich hier in Ai’oa übernachten möchtest, und du hast gesagt, ich soll dich in Ruhe lassen. Dann bist du wieder eingeschlafen. ›Weshalb hast du es zugelassen.‹« Er blickt so entrüstet wie eben die Heuschrecke.
    »Ich muss los. Sofort!« Ich werfe die Orchideen auf den Boden und marschiere los. Mehrere Ai’oaner schauen auf, als ich vorbeigehe. »Alai!«, rufe ich, doch der Jaguar lässt sich nicht blicken.
    Eio trottet hinter mir her. Er hängt sich seinen Bogen über die Schulter und bittet einen Jungen, ihm seine Pfeile zu bringen. »Ich komme mit.«
    »Ich brauche dich nicht.« Ich weiß, dass ihn keine Schuld trifft, bin aber trotzdem wütend auf ihn. Wäre er nicht gewesen, wäre ich vielleicht nie mehr in den Dschungel zurückgeschlichen.
    Er folgt mir dennoch, und sobald wir zwischen den Bäumen sind, überholt er mich und geht voran, obwohl ich mich gut an den Weg erinnere. Ich beginne keinen Streit deshalb, tue aber so, als wäre er nicht da. So stürmen wir durch den Dschungel und machen mehr Lärm als ein Paar Brüllaffen. Ich sehe es Eio an, dass er immer noch beleidigt ist wegen meines Vorwurfs, er hätte mich einschlafen lassen. Aber ich entschuldige mich nicht. In meinem Magen sind zu viele Knoten und Dornen, als dass ich mich um das verletzte Ego eines Jungen kümmern könnte.
    »Alai, komm!«, rufe ich noch einmal voller Angst. »Wo bist du? Alai!«
    Ich stelle mir vor, was gerade in Little Cam los ist, und meine Fantasie produziert dazu ein Bild nach dem anderen. Sie durchsuchen mein Zimmer. Sie finden die Karte. Sie folgen ihrer Spur bis zu Dr. Tollpatsch. Sie sperren sie ein und verhören sie…
    Ich wundere mich, dass ich solche Dinge überhaupt denken kann. Schließlich habe ich es noch nie erlebt, dass Onkel Paolo jemanden außer mit Verweisen oder gekürzten Gehältern bestraft hätte. Gekürzte Gehälter haben ausgesprochen grantige Arbeiter zur Folge. Niemand verzichtet gern auf die Möglichkeit, Bier oder neue Kleider zu kaufen, wenn sie Onkel Timothy auf einer Versorgungstour begleiten. Und das tut fast jeder hin und wieder. Wir sind schließlich kein Gefängnis, wo Regelverstöße auch anders bestraft werden können.
    Natürlich hat noch niemand etwas Schlimmeres verbrochen als, sagen wir, Süßigkeiten aus dem Lager gestohlen oder ein Gerät im Fitnessraum kaputt gemacht und es nicht zugegeben zu haben. Der Zwischenfall war natürlich eine Ausnahme. Aber Alex und Marian wurden nie gefunden. Hätte man sie gefunden… Ich werde nicht – kann nicht – darüber nachdenken. Zum ersten Mal glaube ich, sie ein Stück weit verstehen zu können. Weshalb sie weggelaufen sind. Ich kann es noch nicht in Worte fassen, aber tief drinnen spüre ich einen Funken Mitgefühl, wo vorher nur Ablehnung und sogar Entrüstung waren.
    Endlich reagiert Alai auf mein Rufen und taucht aus einem Helikoniengestrüpp auf. Im ersten Moment erkenne ich ihn kaum wieder. Sein Blick ist wild und er zeigt seine Fangzähne. Doch als er mich sieht, verändert sich sein Aussehen und er wird wieder

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