Die Eiserne See - Brook, M: Eiserne See
sich noch immer in einem warmen, weinwürzigen Nebel, als sie Venedig drei Tage später erreichten und über den imposanten Ruinen schwebten. Der Mittag kam.
Fox nicht.
In der Nähe des Bugs, wo Mina saß, blickte Yasmeen über den Rand des Schiffes und trommelte mit den Fingern auf die Reling … obwohl ihre Finger eher Klauen glichen, wenn sie sie so krümmte.
Minuten vergingen. Mina trank aus einer Flasche. Nach einer Weile sagte Mr Pegg: »Ihre Befehle, Kapitän?«
»Warten!«, fauchte Yasmeen. »Er ist einfach nur spät dran. Und er schuldet mir zu viel, um ihn einfach zurückzulassen.«
Was für eine verdammte Lügnerin , dachte Mina und setzte die Flasche ab. Es half nichts. Sie war nicht Yasmeen. Sie wollte nicht so tun, als fühlte sie etwas anderes. Und sie wollte ihre Gefühle nicht länger unterdrücken.
Yasmeen ging den ganzen Nachmittag rauchend auf dem Deck auf und ab. Der Abend senkte sich zu einem bedrohlichen Knurren von Zombies herab, die von den Laternen angezogen wurden. Mina trank während des Abendessens keinen Wein. Yasmeen schien guter Laune zu sein, und sie hatten bereits so viel Zeit miteinander verbracht, dass ein gelegentliches Schweigen nicht unangenehm war. Nach dem Essen zog Yasmeen ein zerfleddertes Magazin hervor und lehnte sich in die Kissen, um zu lesen.
Sie bemerkte Minas Blick und sagte: »Wenn ich die verdammten Zombies in den ägyptischen Gräbern überlebt hatte, wird er sie wohl in Venedig überleben.«
»Natürlich.« Obwohl sich Mina bei der Menge, die sie dort unten gesehen hatte, nicht mehr sicher war. »Haben Sie die Gräber gesehen?«
»Nicht die unterirdischen, aber ich habe die Pyramiden mehrmals überflogen. Die Menschen aus der Neuen Welt bezahlen beinahe jeden Preis, um sie zu sehen. Das Einzige, was noch mehr einbringt, ist, Pilger nach Mekka zu schmuggeln.« Sie blickte Mina aufmerksam an und ließ das Magazin auf die Brust sinken.
»Wohin würden Sie gehen, wenn Sie wählen könnten?«
Zurück auf die Terror . Doch solange sie nicht aufhörte, sich ein Leben mit ihm vorzustellen, würde der Schmerz nie verschwinden. »Zum Ivory Market«, sagte sie. »Ins Hordenviertel. Um herauszufinden, wie es ist, die Straße entlangzugehen, ohne angestarrt zu werden.«
»Man würde es trotzdem tun. So klein und hübsch, wie Sie sind. Außerdem sehen Sie auch ohne Uniform aus wie eine Inspektorin.« Sie schürzte die Lippen. »Ich will nicht wieder zum Ivory Market, aber ich kenne eine andere Stadt, wo es die Leute nicht kümmern würde, was Sie sind. Wenn wir Fox an Bord genommen haben, wie wär’s mit einer Woche Port Fallow?«
Eine Woche, in der es niemanden kümmern würde, was sie war – bevor sie nach London zurückkehrte, wo es die Leute sehr wohl kümmerte, so sehr, dass sie nicht bekommen konnte, was sie wollte.
»Ich könnte es nicht bezahlen … «
Yasmeen winkte ab. »Trahaearn hat genug gezahlt.«
Fündundzwanzig Livre pro Tag, und das war nur bis Calais gewesen. Mina konnte sich nicht vorstellen, wie viel Geld Lady Corsair auf dieser Fahrt gemacht hatte.
»Wie viel zahlt Ihnen Fox?«
»Fünf Livre.« Ihr kalter Blick reizte Mina, etwas zu sagen.
Sie tat es klugerweise nicht.
Burnett konnte das Telegramm nicht nach Chatham geschickt haben. Mina erwachte und starrte an die Decke der engen Kabine. Erst war da der Schwindel gewesen und dann ein Gefühl völliger Vernichtung – gefolgt von der Betäubung durch den Wein. Zum ersten Mal nach mehreren Tagen war ihr Verstand klar.
Sie war wirklich eine Idiotin.
Durch das Bullauge hörte sie von unten Fauchen und zischende Laute. Fox war immer noch nicht aufgetaucht oder hatte dem Luftschiff Signale geschickt. Sie schlüpfte in ihren Überzieher und schloss die Schnallen über ihrem Nachthemd, während sie die Kabine verließ.
Sheffield war kein Schwarzgardist. Er hatte den Mörder nicht verständigt. Burnett konnte es nicht gewesen sein – er war auf einem Schiff in der Nähe des Ivory Markets gewesen. Sie hatte jemanden übersehen.
Als sie an der Kapitänskajüte ankam, klopfte sie leise. Yasmeen öffnete in einem purpurfarbenen Seidenumhang, der sich an ihre Brüste schmiegte. Sie hatte kein Kopftuch an. Ihre Ohren standen zwischen den dünnen Zöpfen hoch, offenbarten die dunklen Büschel an ihrem Ende.
Der süße, ekelerregende Geruch, der aus der dunklen Kajüte drang, war unverkennbar. Sie lächelte träge und fragte schleppend: »Ja, Inspektor?«
»Burnett hat Baxters Ermordung nicht
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