Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Bonansinga
Vom Netzwerk:
auslösen sollen. Ein weiteres Handzeichen, und beide Officers gingen hinüber zu Grove. Sie stellten schnell fest, dass er sich noch ans Leben klammerte. Weder Simms noch Karras hatten eine intensive medizinische Ausbildung, aber sie verstanden genug von erster Hilfe, um zu erkennen, dass Grove viel Blut verloren hatte, sich offenbar in einem Schockzustand befand und einen sehr schwachen und niedrigen Puls hatte. Sie wussten, es würde auf die nächsten paar Minuten ankommen, wenn sie das Leben des Profilers retten wollten. Daher improvisierten sie eine behelfsmäßige Trage aus zwei Splitterschutzwesten und zwei zusammenschiebbaren Greifstöcken und hoben Groves schlaffen Körper so schnell und so sanft wie möglich darauf. Dann schleppten sie ihn aus der Höhle und zogen dabei eine Blutspur hinter sich her, während sie gleichzeitig Notrufe über die Funkgeräte schickten und aus vollem Hals nach Unterstützung durch die Idioten brüllten, die noch immer am Rand des Berges im tiefen Wald herumschnüffelten. Als Simms und Karras aus der Höhlenöffnung ins Freie traten, wimmelte es in allen Waldstücken von SWAT-Leuten, die durchs Unterholz schwärmten und im Regen nach einem Geist Ausschau hielten. Zwei Polizeibeamte aus Olympia, die als taktische Kräfte ausgebildet waren, kamen herbeigeeilt und halfen mit der «Fracht», während Simms über Funk beim nächstgelegenen Stützpunkt einen Rettungshubschrauber anforderte und Karras notdürftig Druckverbände um Groves zerfleischten Hals und Rumpf legte.
    Grove blieb währenddessen ohne Bewusstsein. Sein Gesicht schuf sich ein eigenes geheimes Chaos, und aller Lärm und sämtliche Erschütterungen, die seine vier ungeübten Retter beim Transport seines Körper verursachten, konnten nicht den Sturm in seinem Kopf durchdringen.

Kapitel 18
Ein Loch im Bild
     
     
     
    «Nein!»
    Grove erwachte schweißgebadet und von Muskelkrämpfen geschüttelt. Sein Kopf schlug aufs Kissen, die Arme stemmte er so heftig gegen das Geländer des Krankenhausbetts, dass das Gestell knarrte. Seine Hände waren dick verbunden, und eine Klemme zur Blutdruckmessung zwickte die Kuppe seines rechten Zeigefingers.
    Er entspannte den Kopf im Kissen und lag einen Moment lang einfach nur da, außer Atem, als sei er gerade hundert Meter gesprintet. Es knisterte überall, als sei er in Zellophan gewickelt, und außerdem kam es ihm vor, als hätte man die Hälfte seines Körpers amputiert. Grove schluckte seine Panik hinunter, leckte sich über die spröden, aufgerissenen Lippen und schaute sich um.
    Er lag in einem kleinen Privatzimmer auf der Intensivstation mit einem Fenster, vor dem die Vorhänge zugezogen waren. Die einzige Beleuchtung stammte von einer Reihe von Kontrolllampen und Messgeräten neben seinem Bett. Außer dem leisen Ticken eines Monitors für Puls und Körpertemperatur war nichts zu hören. Grove drehte den Kopf weit genug, um eine Digitaluhr auf dem Nachttisch zu erkennen: Sie zeigte vier Uhr sieben an. Nach der Stille und der Dunkelheit zu urteilen, musste es früher Morgen sein.
    Er fand einen Klingelknopf am Ende des Kabels, das am Bettgitter baumelte, und drückte unbeholfen mit einem verbundenen Daumen darauf.
    Nur Augenblicke später kam eine Krankenschwester zur Tür hereingerauscht. Neonlicht ging stotternd an, und Grove musste blinzeln.
    «Mr. Grove, guten Morgen», sagte die Schwester, als sie sich dem Bett näherte. Die Stöpsel eines Stethoskops hatte die etwas mollige, ältliche Frau in weißer Uniform bereits in den Ohren, jetzt legte sie die Membran auf Groves Brustbein und lauschte aufmerksam.
    «Ich möchte nicht melodramatisch klingen», krächzte Grove mit eingerosteter Stimme, «aber welchen Tag haben wir heute?»
    «Dienstag, den siebzehnten, Sie sind seit fast achtundvierzig Stunden hier.»
    «Und wo ist, bitte… hier? Portland?»
    «Allgemeines Krankenhaus Olympia. Im großartigen Bundesstaat Washington. Wie fühlen Sie sich?»
    «Mit der Antwort auf diese Frage bitte ich Sie noch etwas zu warten.»
    Die Schwester studierte einen Augenblick lang die Monitore und las die Werte ab. Dann griff sie unter das Bettgestell und legte einen Schalter um, der das Kopfende anhob. «Der Doktor ist schon auf dem Weg. Sie hatten wohl die letzten Nächte nichts zu lachen, oder?»
    «Wie bitte?» Grove spürte, wie sich das Bett hob und ihn in Sitzposition brachte. Er hatte das Gefühl, dass seine gesamte Körpermitte einbetoniert war.
    Leicht lächelnd sah sie ihn an.

Weitere Kostenlose Bücher