Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
die ihres ungeborenen Sohnes Eobal – in absehbarer Zeit ihr Ende finden würde, aber nicht, dass dieses Schicksal auch Keandir treffen sollte. Seine Schicksalslinien schienen ihr sehr viel weiter in die Zukunft zu reichen, auch wenn so manche Gabelung vor ihm stand. Hatte sie sich vielleicht zu sehr nur ihrem eigenen Schicksal gewidmet, sodass sie keinen Blick mehr für das große Ganze gehabt hatte? Hätte sie Keandir warnen und alles ändern können, wenn sie die Zukunft erkannt und ihn daran gehindert hätte, nach Naranduin zurückzukehren?
Admiral Ithrondyr sprach inzwischen weiter, berichtete, dass Prinz Sandrilas und der Trupp Elben, der den König nach Naranduin begleitet hatte, noch auf der Insel geblieben waren auf der Suche nach den Steinen des Magischen Feuers.
Seltsamerweise schien es kaum noch welche auf der Insel zu geben, sie waren spurlos verschwunden. Prinz Sandrilas und seine Elbenkrieger durchkämmten auch die Affenkopfzitadelle und die unterirdischen Städte der Ouroungour auf der Suche nach diesen Steinen und mussten sich dabei immer wieder der Angriffe der geflügelten Affen erwehren, was ihre Mission zusätzlich in die Länge zog. Die Elben hatten arge Verluste zu verzeichnen.
Ruwen aber hörte den Ausführungen Admiral Ithrondyrs kaum mehr zu. Sie kämpfte mit aller Mühe gegen ihre Tränen an, ihr war übel, und sie glaubte, im nächsten Moment ins Bodenlose zu sinken. Es war ihr, als ob sie den festen Boden unter den Füßen verloren hatte und nun auf den schwankenden, rutschigen Planken eines Schiffes stand. Wenn es der Wahrheit entsprach, was Ithrondyr berichtet hatte, dann war vielleicht das Schicksal der gesamten Elbenheit schon besiegelt. Ein eisiger Schauder durchfuhr sie bei diesem Gedanken.
»Ihr werdet jetzt Stärke zeigen müssen«, sagte Admiral Ithrondyr. »Denn die Nachricht vom Tod des Königs wird das Volk in tiefe Depression stürzen.«
»Auch deshalb, weil er keinen Sohn hinterlässt, der willens oder in der Lage wäre, seine Nachfolge anzutreten und die Elben in den bevorstehenden Krieg zu führen«, sagte Branagorn.
»Prinz Sandrilas ist von Keandir für diesen Fall dazu ausersehen worden«, sagte Ruwen mit tonloser Stimme. Sie sah Branagorn an. »Ihr selbst wart bei der Versammlung des Kronrats anwesend, auf der diese Entscheidung zuletzt bestätigt wurde.«
Branagorn erinnerte sich. Das war anlässlich des letzten Festes der Ankunft gewesen, das alle zehn Jahre stattfand und dem Andenken an die Landung der Elbenflotte an den Küsten des Zwischenlands gewidmet war. Aber der Herzog hatte das eher als einen formellen Akt gesehen, denn Sandrilas war schon Dutzende von Malen als möglicher Nachfolger bestimmt worden für den Fall, dass dem König etwas zustieß.
»Prinz Sandrilas repräsentiert die Vergangenheit und nicht die Zukunft der Elbenheit«, sagte Branagorn.
»Er wird sich seiner Aufgabe gewiss als gewachsen erweisen«, entgegnete Ruwen, »und ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass er in der Lage ist, das Elbenreich zu führen.«
»Und wenn man doch noch einmal mit Prinz Andir sprechen würde?«, fragte Branagorn. »Er war der Held der Schlacht am Elbenturm, das hat sich längst herumgesprochen. Sein Ansehen in der Elbenheit dürfte größer sein als die irgendeines anderen lebenden Elben, abgesehen vielleicht vom König selbst.«
»Andir hat vor langer Zeit einen anderen Weg gewählt«, sagte Ruwen fast wie abwesend. Ihr Blick war tränenumflort.
Sie konnte es nicht verhindern, dass das Gefühl der Trauer übermächtig wurde. »Er ist den Weg des Geistes gegangen, und dieser Weg schließt es gewiss für ihn aus, dass er jemals so etwas wie König werden könnte. Er sucht die Vervollkommnung, und ich hatte bei den spärlichen Treffen mit ihm manchmal den Eindruck, dass er nur noch bedingt in dieser Welt zu Hause ist, die uns als das Diesseitige erscheint.«
»Ihr müsst es jetzt offenbaren«, mischte sich nun die Heilerin Nathranwen ein, die ebenfalls anwesend war, weil sich die Königin schon vor Beginn der Zusammenkunft nicht gut gefühlt und daher ihre Anwesenheit gewünscht hatte. Sie hatte nicht vor den versammelten Kommandanten, Wächtern, Kapitänen, Chronisten und anderen Zeugen jene Schwäche offenbar werden lassen wollen, die sie seit dem ersten Auftreten ihrer dunklen Ahnungen befallen hatte. Ihre Befürchtung war es gewesen, dass sie von diesen Eindrücken einfach übermannt werden würde.
Nathranwen trat neben die Königin und
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