Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
den man mir zugefügt hat.«
»Was für ein Schlag?«
»Der Betrug getreuer Diener, denen man Gutes getan hat, ist immer ein Schlag.«
»Wovon sprecht Ihr?«
»Du sollst es erfahren. Doch erst das Opfer.«
Die schlammige Masse im Schlund formte einen Mund, der einen durchdringenden Schrei ausstieß. Das Knochenmobile geriet in Bewegung, und diesmal war es nicht der hereinströmende Wind, sondern eine geistige Kraft, die dieses schaurige Knochenballett zum Tanzen brachte. Die Tore öffneten sich. Mit eigenartig gestelzten Schritten ging ein Mann auf das Tor zu. Es war Major Brados. Er wirkte wie jemand, der von unsichtbaren Händen gepackt worden war und von ihnen geschoben und gezogen wurde; seine Bewegungen waren eckig und unharmonisch. Es war erkennbar, dass sie nicht freiwillig geschahen.
Die Augen des Majors waren vor Schrecken weit aufgerissen.
Einer Marionette gleich stolperte er in den Tempel und blieb neben Magolas stehen.
Er zitterte am ganzen Körper. Magolas spürte, wie ein Ruck Comrrms Schwert bewegte. Seine Hand krampfte sich um den Griff, ohne dass Magolas dies wollte, und sie ließ sich nicht lösen. Die Kraft des Schwerts riss Magolas herum, die Klinge beschrieb eine wuchtige Seitwärtsbewegung, gegen die Magolas nichts tun konnte. Er war auf einmal ebenso die Marionette einer unsichtbaren Kraft wie Major Brados – auch wenn die Rolle, die ihm in diesem grausamen Spiel zugedacht war, eine andere war.
Der Schwertstreich trennte Major Brados’ Kopf vom Rumpf.
Er polterte auf den steinernen Boden, rollte auf den Schlund zu und verschwand darin. Aus dem Hals des Majors spritzte das Blut in einer Fontäne empor, die selbst die Schädel im Gewölbe ereichte. Marionettenhaft machte der Kopflose seine letzten Schritte und versank dann ebenfalls im Schlund.
Augenblicke später bildete sich aus der dunklen Masse im Schlund ein vulkanähnlicher Trichter, etwa so groß wie ein durchschnittlicher Rhagar-Mann. Ein vollkommen blanker Schädel quoll daraus hervor und wurde in die Höhe geschleudert.
Unter dem Kuppeldach des Tempels fing ihn ein hauchdünner Faden auf, an dem er auf wundersame Weise haften blieb. Er baumelte hin und her und pendelte sich schließlich aus.
Das Schwert des Eisenfürsten wurde Magolas aus der Hand gerissen. Es schwebte durch die Luft, drehte sich um seinen Schwerpunkt, der etwa eine Handbreit unterhalb des Griffs lag, und senkte sich dann in den Stein in der Mitte des Altars. Ein zischender Laut erklang dabei, und schwarzer Rauch quoll an jener Stelle empor, an der die Klinge in den Stein eindrang –
genau in die Mitte zwischen den beiden Zauberstäben des Augenlosen Sehers, die dort noch ihren Platz hatten. Das Schwert blieb zitternd stecken, wobei ein surrender Laut entstand, der langsam verklang.
»Das war gut!«, meldete sich die Gedankenstimme Xarors.
»Und nun sprechen wir über deine Kinder…«
»Was ist mit ihnen?«
»Weißt du es wirklich nicht?«
»Ich…« Magolas schluckte. »Ich habe keine Verbindung zu ihnen.«
»Da haben wir etwas gemein, Sklave.«
»Was hat das alles zu bedeuten?«
»Ich gebe zu, dass die Täuschung deines Bruders ausgesprochen raffiniert war, sodass ich sie nicht gleich erkannte, und selbst du scheinst ihr erlegen zu sein, obwohl ich schon argwöhnte, dass sie vielleicht Teil eines weitergehenden Plans von dir ist. Aber ich habe deinen Geist durchforscht: Er hat dich offenbar tatsächlich zum Narren gehalten.«
»Andir lebt?«, fragte Magolas. »Das – das erklärte manches…«
»Allerdings. Deine Gemahlin hat ihn mit ihren Gedanken in den Palast gerufen und ihm die Kinder überlassen. Jetzt hat er sie magisch abgeschirmt, und ich weiß ebenso wenig, wohin er sie gebracht hat, wie du. Vielleicht an den Hof von Elbenhaven, möglicherweise aber auch an einen ganz anderen Ort. Die Seelen dieser Kinder sollten mir gehören! Ihre Magie sollte mir dienen, und jetzt wird sie im Dienst meiner Feinde stehen, denn ich habe keinen Zweifel, dass es Andir gelingen wird, die magischen Fesseln zu durchtrennen, mit denen ich sie an mich gebunden haben.«
Die Erkenntnis traf Magolas wie ein Schlag vor den Kopf.
Plötzlich war ihm alles klar. Er hatte Andirs Tod durch die Augen des Attentäters gesehen, doch der war einer Illusion erlegen gewesen. Andir hatte also die Kinder in seine Gewalt gebracht. Ironischerweise empfand Magolas darüber sogar ein wenig Erleichterung, denn so blieb Daron und Sarwen das dunkle Schicksal erspart, zu
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