Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
wert gewesen war. Eine Massenproduktion von Flammenspeeren in den nächsten Jahrhunderten erschien angesichts dieser mageren Ausbeute kaum sinnvoll, und seiner Meinung nach war das ganze Unternehmen ein Fiasko gewesen: Die Verteidigungskraft des Elbenreichs war nicht entscheidend gestärkt worden, und gleichzeitig hatte Elbiana viele gute Krieger verloren – und seinen König, der immer auch das Symbol aller elbischen Hoffnungen gewesen war.
Sandrilas wagte es gar nicht, sich die Konsequenzen auszumalen: Vielen Elbenkriegern auf den zukünftigen Schlachtfeldern würde der Kampfesmut fehlen, weil König Keandir sie nicht mehr anführen konnte. Auch wenn Sandrilas keinen Zweifel daran hegte, die Staatsgeschäfte des Elbenreichs führen zu können und er ja im Übrigen auch eine lange Erfahrung als Befehlshaber des Heeres hatte, so war ihm durchaus bewusst, dass ihm das Charisma des Gründerkönigs fehlte. Niemand traute Sandrilas zu, dass er wie König Keandir dem Schicksal seinen Willen aufzwang.
Die Herzöge Isidorn und Asagorn waren mit ihren Schiffen bereits nach Elbenhaven aufgebrochen. Nur die »Tharnawn«
lag noch in der Inselbucht, und Sandrilas zögerte aus irgendeinem Grund, Kapitän Garanthor den Befehl zu erteilen, den Anker zu lichten und hinaus auf das offene Meer zu segeln. Er selbst konnte den Grund dafür nicht benennen. Es war einfach ein Gefühl. Eine Ahnung. Er spürte etwas, von dem er wusste, dass es bedeutsam war, aber von dem er noch nicht zu erkennen vermochte, was es war.
Plötzlich drehte er sich herum. »Eine Barkasse!«, rief er.
»Lasst eine Barkasse zu Wasser!«
Siranodir mit den zwei Schwertern und Waffenmeister Thamandor schauten ihn ebenso verständnislos an wie Kapitän Garanthor und die anderen Elben, die sich gerade in der Nähe aufhielten.
»Ich will noch einmal zum Felsen der sechs Steindornen zurück!«, verkündete Sandrilas.
Der Einzige, der des Prinzen Beweggründe erkannte, war der in Athranor geborene Fährtensucher Lirandil. »Ihr glaubt, die Aura des Königs zu spüren, und könnt Euch nicht vorstellen, dass er nicht mehr unter den Diesseitigen weilt.«
Sandrilas sah Lirandil überrascht an. »Ist es so?«, fragte er.
»Ich selbst kann das Gefühl nicht einordnen.«
»Ja, es ist so«, bestätigte Lirandil. »Aber ich fürchte, dass dies nicht wirklich Empfindungen unserer magischen Elbensinne sind, sondern nur Widerspiegelungen unserer Wünsche.«
»Das mag sein. Aber…« Der Einäugige zögerte, bevor er weitersprach. »Ich würde mir nie verzeihen, davongesegelt zu sein, ohne mich noch einmal davon überzeugt zu haben, dass keine Hoffnung mehr besteht, den König zurückzuholen.«
»Wie Ihr meint.«
Erneut überraschten die Worte des Fährtensuchers den Prinzen. »Ihr begleitet mich? Ich brauche vielleicht jemanden, der die Widerspiegelungen eigener Wünsche von echten magischen Wahrnehmungen zu unterscheiden vermag, wie dies offenbar nur wenige andere vermögen.«
»Ich begleite Euch gern, Prinz Sandrilas.«
Als Sandrilas und Lirandil mit einigem Gefolge noch einmal auf den Felsen der sechs Steindornen gestiegen waren, sahen sie, dass der Schlund verschwunden war. Stattdessen klaffte ein Loch im Felsen, das in eine sehr tief gelegene Höhle führte.
Dort entdeckten sie den König und seinen Sohn Andir!
Die Überraschung war groß bei Sandrilas und seinem Trupp, denn selbst während des Aufstiegs hatte der Elbenprinz Keandirs Aura nur so schwach wahrgenommen, dass er letztendlich nicht wirklich damit gerechnet hatte, seinen König lebend vorzufinden. Doch offenbar hatte dies an der dunklen Magie gelegen, die auf dieser Insel wirksam war.
Sandrilas, der sonst eher sachlich, kühl und zurückhaltend auftrat und ganz gewiss kein Mann von Gefühlsdausbrüchen war, rief hoch erfreut in die Höhle hinab: »Mein König! Ihr lebt!« Sein Ruf hallte zwischen den Felswänden wider.
Er ließ von seinen Gefolgsleuten Seile holen, mit denen sie Keandir und dessen Sohn aus der Höhle bargen. Andir hatte eine üble Verletzung davongetragen, offenbar bei einem Kampf, doch als er Sandrilas’ besorgten Blick gewahrte, winkte er ab und sagte: »Macht Euch keine Sorgen, Prinz.
Mein Zustand wird sich rasch bessern.«
»Kriegsheiler Eónatorn wird sich an Bord der Tharnawn um Euch kümmern, Prinz Andir«, versprach Sandrilas.
Der Elbenmagier lächelte matt. »Das wird kaum nötig sein.
Ich bin mein eigener Heiler. Und außerdem habe ich das hier, das mich stärkt.«
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