Die Elenden von Lódz
Arbeitsbescheinigungen zu befinden hat.
Arbeiter, Leiter der Abteilungen und der inneren Verwaltung –
Bald vier Jahre leben Sie jetzt schon hinter Stacheldrähten. In diesen Jahren hat es bei einigen von Ihnen Spekulationen darüber gegeben, ob sich die Verhältnisse ändern werden. Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht der Fall sein wird. Die Führung in Berlin steht fest und entschlossen, und wir werden diesen Krieg gewinnen, den die Feinde des deutschen Volkes uns aufgezwungen haben.
Aufgrund dessen möchte ich Ihnen einschärfen, dass die Bewachung des Gettos eine polizeiliche Angelegenheit ist und die Verantwortung dafür in erster Linie der Kriminalpolizei und Herrn Auerbach obliegt,
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und er und der SD entscheiden, welche Befugnisse man an die eigene Ordnungsmacht des Gettos delegiert. Wir haben gut mit Dawid Gertler zusammengearbeitet. Leider musste Dawid Gertler das Getto verlassen. Sein Nachfolger wird Marek Kligier. Er steht mit uns und der Geheimen Staatspolizei in ständigem Kontakt. Es kann Gründe geben zu betonen, dass die Sonderabteilung, wenn sie Haussuchungen durchführt – was in Zukunft immer häufiger der Fall sein wird –, von uns dazu angewiesen ist; in jedem Fall aber heißen wir diese gut, und es ist die Pflicht der Sonderabteilung, Güter bedingungslos zu konfiszieren und Personen festzunehmen, die sich diesen Regeln, die von jetzt an für die gesamte Produktion des Gettos gelten, zu entziehen suchen.
Was die Produktion anbelangt, möchte ich auf die weiteren uns auferlegten Forderungen und Verpflichtungen eingehen. Die bereits eingeleiteten sogenannten Prüfungen – also die Rekrutierung und Registrierung früherer Büro- und Verwaltungsangestellter für Arbeitskommandos innerhalb und außerhalb des Gettos – werden in dem erforderlichen Tempo weitergeführt. Wir werden fast fünftausend Arbeiter für ein Projekt benötigen, das uns von der betreffenden Abteilung in Speers Rüstungsministerium übertragen wurde, die für Notunterkünfte in vom Krieg geschädigten Teilen des Reiches verantwortlich zeichnet. Für diese Notunterkünfte werden unsere Fabriken Heraklithplatten fertigen.
Für diejenigen, die möglicherweise Einwände gegen diese Verpflichtungen zu erheben haben – oder die auch diese Einsätze als nur zeitweilig oder jedenfalls vorübergehend betrachten –, will ich betonen, dass wir die Rekrutierung fortsetzen werden.
Wir werden auch weiterhin Arbeiter benötigen.
Wir werden unendlich viele Arbeiter benötigen, solange der Kriegseinsatz währt.
|447| Der Machtsturz des Ältesten schien nach der
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-Aktion nahezu endlos zu sein. Gleich einem Narren, den man Stück für Stück seiner Tracht entkleidet, wurde ihm eine uneingeschränkte Befugnis nach der anderen genommen. Er hatte keinen Einfluss mehr auf die Produktion oder die Produktionsverhältnisse im Getto. Über die Lebensmittelzuteilungen hatte er auch nicht mehr zu bestimmen – ausgenommen die geringe Kleinigkeit von zwei Prozent, die ihm als »sein persönlicher« Anteil zur Verteilung zustanden und bei denen er darauf beharrte, sie zu Gnadengeschenken zu machen, indem er beispielsweise allen Gettoarbeitern Talons für einen Teller
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zu Jom Kippur zuwies. Nach den Säuberungen im Sommer 1943 hatte er nicht einmal mehr seine eigenen Ernennungen in der Hand. Alle Namen von Personen, die er zu befördern oder auch zu entlassen wünschte, mussten zunächst von der deutschen Gettoverwaltung genehmigt werden. Letztendlich war es Biebow, der alle Fäden in der Hand hielt. Der Präses des Gettos war nur ein Gauklerkönig, ein Popanz, dessen gesamte Macht in dem Gehabe bestand, das er sich zugelegt hatte, und dessen Welt sich auf wenige Zeremonien reduzieren ließ, wie die Trauung und Scheidung der Leute und die Durchführung sinnloser »Inspektionen« in Fabriken oder Suppenküchen. Selbst die Leibwächter, die stets an seiner Seite gewesen waren, schienen nicht mehr geschlossen hinter ihm zu stehen.
Doch just in dem Augenblick, als der Sturz sich zu vollenden schien und die totale Erniedrigung bevorstand, geschah etwas, das dem Ältesten auf einen Schlag zwar nicht Macht und Autorität zurückgab, ihm aber gleichwohl eine Art Rehabilitierung brachte.
Es hieß, er hätte das Getto verraten. Vielleicht steht es mit dem Verrat wie mit dem Heldenmut, bei beiden bedarf es einer langen Zeit der Vorbereitung, damit sie von Erfolg gekrönt sein können. In diesem Fall zeichnete sich der Verrat
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