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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Refektorium öffnete, geriet sie in eine befremdliche Szene. Auf dem Tisch stand ein Korb mit Brot, ein Topf mit Schmalz, einer mit Butter, Schinkenscheiben lagen auf einem Brettchen, und ein Laib Käse war angeschnitten. Ein kleiner Junge mit einem Milchbart setzte seinen Becher an und biss dann hungrig in einen gebutterten Wecken, von dem der Honig tropfte. Neben ihm saß eine hagere Frau in einem zerschlissenen, oft geflickten Kleid, die ebenfalls einen Teller vor sich hatte, auf dem sich Speisen häuften, die in der Fastenzeit strengstens untersagt waren. Ihr gegenüber saßen Martha und Bela. Die Lippen der Meisterin waren zu einem Strich zusammengepresst, aber offensichtlich nicht aus Missbilligung der verbotenen Gerichte, denn sie selbst goss die Ziegenmilch in den Becher der Frau nach.
    »Ich grüße Euch. Verzeiht, wenn ich störe, aber ich müsste mit dir sprechen, Magda.«
    »Komm herein, Almut. Dies ist Corinne Beckersche und ihr Sohn Lukas. Bela hat sie gefunden und mit hergebracht.«
    »Frau Corinne, meinen Gruß. Und auch dir, mein Junge!«
    Der Kleine mochte zwei Jahre alt sein, und sein Gesicht war fettverschmiert, aber er war nicht scheu, sondern lächelte Almut gewinnend an. Corinne neigte ebenfalls den Kopf und grüßte zurück.
    »Ich nehme an, Bela, du hast der Meisterin die Umstände erklärt.«
    »Sie hat. Ich habe beschlossen, dass unser geistlicher Betreuer die Schwelle zu unserem Anwesen nicht mehr überschreiten wird.«
    »Das trifft sich, denn ich hatte soeben eine herzhafte Auseinandersetzung mit ihm.« Mit einem boshaften Lächeln fügte Almut hinzu: »Zufällig stand mir dabei Pater Ivo zur Seite.«
    »Ich nehme an, er fand die passenden Worte.«
    »Biblische, Meisterin.«
    Mit grimmiger Zufriedenheit nickte Magda. Dann wandte sie sich an Corinne, die ihre Hände mit einem Tuch säuberlich abwischte und dann ihrem Sohn das Gesicht putzte.
    »Ich habe Euch Zeit gelassen, Euch zu stärken. Nun berichtet Ihr von Eurer Seite, was Ihr zu sagen habt. Entspricht alles der Wahrheit, was Bela gesagt hat?«
    »Ja, Frau Meisterin. Vor sechs Jahren übernahm ich Pater Leonhards Haushalt. Es war für mich eine zufrieden stellende Lösung, denn zuvor hatte ich dem Haus meines Vaters vorgestanden. Er besitzt eine große Bäckerei bei Sankt Severin. Meine Mutter starb früh, und die vier Kleinen brauchten mich. Dann aber heiratete mein Vater wieder, und ich war mit dreißig schon zu alt, um noch eine Ehe einzugehen. Pater Leonhard war zu Beginn ein freundlicher, umgänglicher Mann von gutem Benehmen, und ja... ich fühlte mich auch zu ihm hingezogen. Es war mein Fehler, Frau Meisterin. Ich hätte der Versuchung widerstehen müssen.«
    »Das hättet Ihr wohl. Doch er hätte es ebenso. Erzählt weiter.«
    »Es war im Jahr, als der Schöffenstreit begann, als ich fehlte. Und im Sommer bemerkte ich meine Schwangerschaft. Ich sagte es Pater Leonhard, und der war äußerst erbost. Er wollte dem Erzbischof nach Bonn folgen und schloss sein Haus in der Stadt. Für mich gab es daher keine Bleibe, da er es für undenkbar hielt, ich könne ihn in meinem Zustand begleiten. Ich versuchte, bei meinem Vater Unterkunft zu finden, aber der verwies mich des Hofes, als er von meinem Zustand erfuhr. Meine Schwester gab mir Geld, wollte aber auch nichts mehr mit mir zu tun haben. So brachte ich denn mein Kind im Winter in einer kleinen, kalten Kammer zur Welt. Ich versuchte, eine neue Stellung zu bekommen, mal in den Küchen, mal als Wäscherin. Ich kann ganz gut backen und Bier brauen. Aber es ist schwer, wenn man ein kleines Kind hat. Manchmal half mir die Köchin von Sankt Ursula, sie war früher eine gute Freundin von mir. Aber im Stift wollten sie eine Frau mit einem Bastard nicht beschäftigen. Es... es blieb mir nicht viel anderes übrig … Ich habe es nie gerne getan...«
    »Ihr seid nicht wieder schwanger?«, fragte Almut vorsichtig nach.
    »Nein. Nein, ganz gewiss nicht.«
    »Habt Ihr Pater Leonhard nach seiner Rückkehr aufgesucht?«
    »Ja. Er hat mich als Hure beschimpft und von der Schwelle gejagt.«
    Almut warf Magda einen fragenden Blick über den Tisch zu, und die nickte. Der kleine Junge hatte sich an seine Mutter gekuschelt und war, den fettigen Daumen im Mund, eingeschlafen.
    »Entweder bei mir oder bei Elsa!«, schlug Almut vor. »Trines ehemalige Kammer ist größer als der kleine Abstellraum bei euch«, meinte Magda. Und zu Corinne gewandt, erklärte sie: »Ihr könnt eine Weile mit dem Kind bei uns

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