Die Enden der Parabel
der wirkliche Zweck des Vertrags allein darin bestand, Wjatscheslaw Tschitscherin die Existenz Enzians zu enthüllen ... das Leben in einer Garnison im Osten läßt einen, genau wie manche Drogen, solche Zusammenhänge erstaunlich klar erkennen...
Aber ach, es scheint, daß der Besessene nur seinen eigenen Untergang betrieb: Das Dossier, das sich Tschitscherin über Enzian zusammengestellt hatte (und er bekam sogar zu sehen, was
beim sowjetischen Geheimdienst über Leutnant Weißmann und dessen politische Abenteuer in Südwest vorhanden war), wurde von einem eifrigen Apparatschik kopiert und Tschitscherins eigener Personalakte einverleibt. Was, noch ehe ein oder zwei Monate verstrichen waren, zur Folge hatte, daß ein anderer Anonymus Tschitscherins Laufbahn nach Baku umdirigierte, wo er, und grimmig, an der ersten Sitzungsperiode des WZK NTA (Wsesojusny Zentralny Komitet Nowowo Tjurkskowo Alfawita) teilnahm und prompt dem Unterausschuß für das .1 zugewiesen wurde. Beim .1 scheint es sich um eine Art G zu handeln, einen stimmhaften, uvularen Verschlußlaut, den von einem normalen G etwas unterscheidet, das Tschitscherin niemals recht zu würdigen wissen wird. Es stellt sich schnell heraus, daß alle solchen abartigen Buchstaben für Taugenichtse seines Schlages reserviert sind. Schatsk zum Beispiel, der berüchtigte Leningrader Nasenfetischist, der mit einem Taschentuch aus schwarzem Satin auf Parteikongresse geht und, ja, sich mehr als einmal nicht beherrscht hat, in die Gesichter der Mächtigen zu fassen und ihre Funktionärsnasen zu befingern - dieser Schatsk ist auch hier, verbannt ins ?-Komitee, wo er ständig vergißt, daß ? im NTA dem Oe entspricht, nicht dem russischen F, was die Arbeit auf dem ?-Sektor immer wieder zurückwirft und bei jeder Sitzung Anlaß neuer Konfusion ist. Die meiste Zeit wendet er ohnehin dafür auf, seine Versetzung ins N-Komitee zu betreiben, "oder eigentlich", näher rutschend, mit unterdrücktem Atmen, "würde ein einfaches N, oder sogar nur M, es auch tun ..." Radnitschny, ein als hemmungslos und leicht verführbar bekannter Witzbold, hat das -Komitee unterwandert - wobei der Schwa- oder Murmellaut ist, so was wie der Vokal in hm - und dort einen megalomanen Plan entwickelt, sämtliche gesprochenen Vokale von ganz Zentralasien (und warum sich auf Vokale beschränken? Warum nicht auch einen Konsonanten oder zwei?) durch solche Schwas zu ersetzen... was nichts Besonderes ist, gemessen an der Liste von Verwechslungskomödien und
Pseudo-Resolutionen, die schon auf Radnitschnys Konto gehen, ganz abgesehen von der brillant erdachten, wenn auch gescheiterten Konspiration, Stalin eine Trauben-Sahne-Torte ins Gesicht zu schmeißen, in die er gerade wenig genug verwickelt war, um Baku aufgebrummt zu kriegen statt etwas Schlimmerem. Ganz klar, daß diese Bande von Unverbesserlichen Tschitscherin wie magisch anzieht. Nach kurzer Zeit, wenn es nicht gerade um Radnitschnys Plan geht, in ein Ölfeld einzudringen und einen Bohrturm als Riesenpenis zu verkleiden, schleicht er sich schon hinunter ins Araberviertel, um dort gemeinsam mit dem verrufenen ukrainischen Rauschgiftesser Bugnogorkow vom Glottalen-K-Komitee (da das normale K als Q geschrieben, aber C als tscb gesprochen wird) auf eine HaschischVerbindung zu warten, oder hat alle Hände voll zu tun, die nasalen Anträge dieses Schatsk abzuwehren. Manchmal kommt es ihm so vor, als hätte man ihn in Wirklichkeit in ein Militärirrenhaus in Moskau oben eingesperrt und diese ganze Sitzungsperiode wäre nichts als ein langer Traum. Keiner scheint hier noch ganz dicht zu sein.
Das betrüblichste von allem ist der Machtkampf mit Igor Blobadjan, einem Vertreter der Partei im prestigeträchtigen G-Komitee, in den er hineingeschlittert ist. Biobadjan versucht fanatisch, Tschitscherins Ausschuß .ls zu rauben und seinen Gs zuzuschlagen, wobei er Lehn- und Fremdwörter als Brechstangen verwendet. Peinvolle Blickwechsel der beiden Männer, über Tabletts voll Sapekanka und georgischer Obstsuppe hinweg, bei unvermeidlichen Begegnungen in der sonnenhellen, glühenden Kantine.
Zur akuten Krise kommt es in der Frage, welche Art g in dem Wort Stenographie Verwendung finden soll. Eine Menge Emotionen setzt dieses Wort bei den meisten der Konferenzteilnehmer frei. Tschitscherin stellt eines Morgens fest, daß in seinem Sitzungssaal sämtliche Schreibstifte verschwunden sind. Zur Rache schleichen er und Radnitschny sich in der nächsten Nacht, bewaffnet
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