Die Enden der Welt
Während sie es tat, wurde »Arrow« von einem Wagen überfahren. Da erklärte sie dem Jungen nichts mehr, sondern gab ihm schuldbewusst den Laufpass.
Signorellis Räume sind Bühnenräume, und theatralisch sieht er die Welt enden in der Herabkunft des Antichrist, wie sie in den Apokryphen, in der »Legenda Aurea« des Jacopo da Voragine oder in den Visionen der heiligen Brigitte von Schweden beschworen wird. Es geht um die letzten Fragen und die letzten Dinge, die Menschheit muss zu neuem Leben erwachen. Ja, es ist das Ende der Welt, die Cumanische Sibylle weist auf ihr »Buch der Weissagungen« und siehe: Auf dem First der Wogen balancieren Schiffe, die Ruinen antikisierender Bauten mahnen, eine Wolkenbank von der Farbe geronnenen Blutes lastet im Himmel, ein Feuersturm droht, ihm voran drängen Söldner und Soldaten, Teufel und Dämonen, und was hier über allem beklemmend persönlich wirkt, das ist Signorellis pedantische Art, ein Massenschicksal in lauter individuelle Dramen zu zerlegen.
In den Selbstbildnissen, die Bernadettes Briefe entwarfen, war sie eine künstlerische, für ihre Umwelt in Denver zu künstlerische Seele. Sie schrieb über die Jungen ihrer frühen Jahre – gutaussehende Langweiler, die sich aufsparen wollten, einen Faulpelz, einen namens Elwyn, der sie platonisch liebte und sieben Meilen weit jeden Tag mit ihr spazierte. Aber sein Mundinneres ekelte sie.
Inzwischen besaß sie ein Hündchen namens »Bronco«. Es wurde überfahren, als sie mit Elwyn spazieren ging. Darauf entschloss sie sich, nie wieder mit Elwyn zu spazieren, und während sie es ihm sagte, fixierte sie mit ihren Blicken den Rachenraum hinter seinem offenen Mund. Das machte es leichter, seine Tränen zu ignorieren.
Nach dieser Entscheidung und Broncos Tod geht sie auch mit sich selbst ins Gericht und entscheidet, künftig nach Art der Amish-Mädchen zu leben, schlägt die Augen nieder, wählt einfache schwarz-weiße Kleider, singt Volkslieder und meidet alles Technische. Das tut ihr gut. Freunde aus der Stadt vermuten, sie sei in einen Konvent eingetreten. Doch eigentlich ist das Leben als Amish-Frau für sie bloß geeignet, um heimlich zu verwahrlosen. Dann wacht sie eines Tages in einem Krankenhaus auf. Tage fehlen ihr, aber immerhin ist da der starke Wunsch, wieder Eis zu essen. Sie kämpft mit den Schwestern, den lieben, starken Schwestern mit den harten Händen. Bleiben will sie, aber es hilft nichts. Sie wird in die Welt entlassen.
»Seit vierzehn Jahren lebe ich nun im Stand der Desillusion«, schrieb sie, und so trieb sie aus den Krankenhausmauern in die Universität, wo sie auf dem doppelten Bildungsweg versuchte, das Epikureische zu denken und das Platonische zu meiden. Doch Marlon, der einzig mögliche Toyboy ihres Lebens, entkommt vor der Woge des Begehrens, von der sie sich erhoben fühlt, gerade noch rechtzeitig nach Europa.
In der »Auferstehung des Fleisches« erheben sich Signorellis Körper nicht aus Gräbern. Aus dem kahlen Feld wachsen diese Leiber heraus und nehmen Fleisch an. Auf den weiten Flächen sammeln sich Menschen, fixiert von der Situation des Ernstfalls, die Nähe der Masse suchend unter der Regie der Bestürzung, und wenn Einzelne aus dem Geknäuel der Leiber heraustreten, dann um zu enthaupten, zu quälen, zu vernichten.
Auf ihrem Weg zum Gericht werden die Verdammten zur Hölle geführt, wo eine Frau brennend im Höllenschlund steht. In einer Orgie der Enthemmung winden sich die nackten Leiber, ausgeliefert dem Exzess, der im Untergang den Überschuss der Lust assoziiert. Auf einer kahlen Bühne im Nimmerland wartet die unentrinnbare Verderbnis, und die Masse, rhythmisiert wie im Bebop, wogt vor und zurück, nach vorne, nach hinten, aufwärts, abwärts, und unter dem düsteren Himmel existiert eine verzweifelte Menschheit allein im Versuch zu fliehen.
Doch was blüht ihr, was blüht den Frauen? Ausgeliefert einem Sadismus der Souveränität, werden sie durch alle Formen der Erniedrigung geschickt. Ihre Nacktheit ist paradiesisch nicht, sondern pornographisch. Zu Boden werden sie geworfen, werden mit geöffneten Beinen kopfüber aus dem Himmel gestoßen, gefesselt und geschlagen, überrannt werden sie und gebissen, verschleppt und an den Haaren gerissen. In den bereitwilligen Posen der Pin-ups überlassen sich die nackten Körper der Phantasie des Weltgerichts. Doch ist ihre Entblößung wie in einem biblischen Herrenmagazin schon Teil der Erniedrigung, der Strafe.
Andererseits aber
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