Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
und marschierte in Richtung Gefangenenbaracke. Schon aus der Ferne vernahmen sie Faiths betörendes Panflötensolo und für einen Augenblick vermutete Cassidy, dass sie die Wachen zur Fluchtvorbereitung einschläfern wollte. Die müden Wärter hoben sofort die Arme und versuchten vergeblich, dem Koch Monroes Befehle zu erklären.
»Platz da! Sonst gibt’s für euch nur noch Hundefutter!«, schmetterte er ihnen lautstark entgegen. Der dunkelhäutige Dickwanst war zweifelsohne einer der einflussreichsten und gleichzeitig beliebtesten Bewohner von Silver Valley. Die beiden Ranger sahen sich einander an und zuckten mit den Schultern. Faith hatte ihr Lied unterbrochen, um das Schauspiel von einem der vergitterten Fenster aus zu beobachten und lachte die eingeschüchterten Wachen unverhohlen aus.
»Also gut!«, seufzte einer von ihnen. »Aber wir bringen es rein. Kein Kontakt zwischen euch, okay?«
Anthony nickte mürrisch und drückte ihm die Backform in die Hände. Cassidy stellte den Wasserkanister auf die Eingangsstufe und kehrte mit dem Koch zu den Lagerfeuern zurück. Das Mädchen bedankte sich bei ihm und versprach, sich irgendwann zu revanchieren. Kim, die eine Essenspause von ihrer Krankenpflege einlegte und ebenfalls an den Feuerstellen saß, begrüßte Cassidys Courage außerordentlich. Sie vertraute Faith noch lange nicht, doch die Vultures hatten ihr Wort gehalten und sollten ihrer Meinung nach wenigstens anständig behandelt werden. Obwohl Butch und Victor Monroes Entscheidung befürworteten, zeigten sie durchaus Verständnis für das eigenmächtige Vorgehen ihrer jungen Rekrutin, das immerhin an Befehlsverletzung grenzte.
Zehn Minuten später war es endlich so weit. Angel trat mit zerzausten Haaren aus der Tankstelle heraus und gesellte sich mürrisch grollend zu ihren Freunden ans Lagerfeuer. Ihr lateinamerikanisches Antlitz strahlte große Niedergeschlagenheit und unbändige Wut zugleich aus.
»Jaguar Bay wurde zerstört«, berichtete sie. »Völlig vernichtet. Die letzten Brieftauben trugen Berichte über eine unaufhaltsame Sicariiarmee, die das Dorf vor zwei Tagen im Morgengrauen angegriffen und buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht hat. Die Aussagen der Notizzettel sind etwas wage, aber wir gehen davon aus, dass sie über eine Art Artillerie und Minenräumgeräte verfügen. Die Nachrichten sprechen von gewaltigen Reifenspuren, viel breiter als die von unseren Fahrzeugen.«
»Weiß Johnny schon bescheid?«, fragte Butch vorsichtig.
»Nein. Ich hab keine Ahnung wie wir ihm das beibringen sollen!« Angel rieb sich deprimiert den Schweiß aus ihren Augenhöhlen, ehe sie fortfuhr. »Das ist noch nicht alles. Die Sicarii, die uns in Brackwood überrascht haben, können unmöglich hinter dem Angriff auf Jaguar Bay stecken. Das bedeutet, es gibt einen zweiten Angriffstrupp. Frank und ich gehen davon aus, dass sie sich vereinen, die Festung der Vultures ignorieren und Silver Valley direkt angreifen werden. Unser Überfall auf ihren Vorposten wird ihnen gezeigt haben, dass wir die größere Bedrohung darstellen. Außerdem werden sie eine theoretische Allianz zwischen den Vultures und uns unbedingt verhindern wollen.«
»Das gibt’s doch nicht! Ich dachte, das sind irgendwelche Psychopaten?«, erwiderte Victor ungläubig und sprang vom Tisch auf.
»Tja«, seufzte Angel. »Wir haben sie gewaltig unterschätzt. Wahrscheinlich war das Teil ihres Plans.«
»Und was machen wir nun? Womit sollen wir uns verteidigen? Da ist ja nicht mehr viel!«
Angel senkte niedergeschlagen ihr Haupt und schwieg nachdenklich. Auch sein Bruder wusste keine Antwort. Nur Kim sah ihre Freundin mit bohrenden Blicken an.
»Was ist mit dem geheimen Waffenlager der Vultures?«, platzte es aus ihr heraus. Angel starrte sie wie versteinert aus den unterlaufenen Augenwinkeln an. Butch und Victor setzten einen fragenden Gesichtsausdruck auf, zuckten mit den Schultern und warteten auf eine Erklärung ihrer Kameradin. Auch Cassidy hob neugierig den Kopf und blinzelte in die tief stehende Sonne.
»Mitkommen!«, befahl Angel kurzerhand und führte den verdutzten Rotschopf vom Lagerfeuer fort zu den Wasserfässern, die momentan niemand benutzte.
»Was weißt du darüber? Und woher?«, fragte sie mit einem todernsten Blick, der Kim innerlich erschaudern ließ. Sie zog die linke Augenbraue hoch und überlegte einen Moment, wie sie darauf reagieren sollte. Urplötzlich stiegen in Vergessenheit geratene Vorurteile und Misstrauen in ihr
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