Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
»Was ist?«, rief sie durch den Flur. Sie hatte den Schrei nicht genau orten können, hörte allerdings Geräusche aus der Dusche und steckte ihren Kopf in das Bad.
»Das Wasser ist eiskalt!«, beschwerte sich Cassidy und erschrak sich gleich nochmal, als Angel den Duschvorhang beiseite riss, um sich von ihrer Unversehrtheit zu überzeugen. »Äh-hem ... erlaubst du?«, murmelte Cassidy verlegen und schloss den Vorhang mit den Fingerspitzen. »Ich war als Erste hier!«
Angel ließ erleichtert die Schultern sinken und schlurfte aus dem Badezimmer heraus. Die Sonne stand bereits hoch über dem Horizont und erleuchtete das Wohnzimmer in warmen Gelbtönen. Von der geöffneten Balkontür schallten die Geräusche der erwachten Stadt herein und ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass die Ausgangssperre aufgehoben worden war. Ganz Alexandria schien auf den Beinen zu sein und wie eine Ameisenkolonie in dieselbe Richtung zu marschieren; direkt auf den großen Platz vor dem Bacchae-Tempel.
Sydneys Ansprache! , erinnerte sich Angel. War es schon so spät? Sie kehrte in die Wohnung zurück und wollte ihren mattschwarzen Chronometer vom Nachttisch holen, da fiel ihr auf, dass das schmutzige Geschirr vom Vortag verschwunden war. Es gab keine Spur der beiden Essenslieferungen mehr auf dem gläsernen Couchtisch und Dog hatte mit seiner Fleischplatte wahrlich nicht auf Sauberkeit geachtet. Stattdessen warteten drei Schüsseln mit einer Art Haferflocken und Trockenobstmischung auf sie. Irgendjemand musste also bereits für Ordnung gesorgt haben. Angel wurde etwas mulmig beim Gedanken daran, dass sie den Eindringling nicht bemerkt hatte.
»Fertig!«, rief Cassidy und kam mit einem Handtuch um den Bauch aus dem Bad. »Jag mir demnächst nicht wieder so einen Schrecken ein, ja?«
»Ich dachte ...«, begann Angel, doch dann wiegelte sie ab. »Ist nicht so wichtig. Wie spät ist es?«
»Kurz nach neun. Clarissa hat mich geweckt und dabei gleich den Saustall aufgeräumt. Ob sie die ganze Nacht vor unserer Tür stand?«
»Nein«, antwortete Angel erfreut darüber, dass die Nocturnal nicht einfach eingebrochen war.
»Oh und ich soll dir ausrichten, dass alles in Ordnung wäre«, fuhr Cassidy fort. »Sie meinte, du wüsstest schon, was das bedeutet.«
Angel war bereits unterwegs zum Badezimmer und lugte stirnrunzelnd am Türrahmen vorbei. »Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
Cassidy schüttelte den Kopf. »Und? Was bedeutet das nun?«
»Dass unser Kloster noch steht. Vermutlich«, erklärte Angel knapp. »Ich werd mich lieber beeilen, wenn wir Sydneys Erklärung nicht verpassen wollen«, murrte sie und verschwand unter der Dusche.
Sie brauchte keine zwei Minuten, denn das Wasser war tatsächlich eiskalt. Dabei bemerkte sie beunruhigt, dass sie sich binnen eines Tages an den Luxus der Biosphäre gewöhnt hatte und dessen warme Duschen bereits vermisste. Sie entschied, sich fortan bei den Annehmlichkeiten zurückzuhalten, um später nicht davon beeinflusst zu werden.
Nach der Katzenwäsche riss sie Dog die Bettdecke vom Kopf und rief ihm ein lautes: »Aufstehen!« zu, gefolgt von: »Und wasch dich heute gefälligst!«
Cassidy stand unterdessen mit ihrer Schale auf dem Balkon und blickte in Richtung Tempel.
»Was ist das?«, fragte Angel, nachdem sie Dog ins Bad verbannt hatte.
»Clarissa nennt es Müsli. Angeblich essen das hier alle am Morgen«, erklärte Cassidy. Als sie sah, wie ihre Ausbilderin etwas hilflos mit dem Löffel in der staubtrockenen Mischung herumstocherte, fügte sie hinzu: »Erst Milch drauf kippen!«
Angel folgte ihrer Anweisung und gesellte sich anschließend ungläubig kauend zu ihr auf den Balkon. »Schmeckt ja wie Pappe.«
»Wenn hier alle Früchte so teuer sind wie in Arnac, ist es kein Wunder, dass da kaum welche drin sind«, meinte Cassidy zustimmend. »In der Küche wartet Kaffee auf dich.«
Das musste sie Angel nicht zweimal sagen. Sofort ließ sie die Schüssel stehen, fegte durch die Wohnung und tauchte eine Minute später mit deutlich aufgeheitertem Gesicht wieder in der Balkontür auf. »Viel besser!«
»Die Versammlung läuft wohl schon«, sagte Cassidy und nickte in Richtung Tempel, von wo sie Wortfetzen aus Lautsprechern erreichten. Nach der vergangenen Nacht fiel es Angel nicht schwer, Sydneys Stimme zu erkennen.
»Verstehst du irgendwas davon?«
Cassidy schüttelte den Kopf. »Wollen wir los?«
Angel spähte in die Wohnung herein. Dog stand noch immer unter der Dusche. Entweder das
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