Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
hielt ein Kind auf ihrem Schoß. Die Mutter der Jungfrau Maria. Die Großmutter von Jesus. Die heilige Anna. Die Schutzpatronin der kinderlosen Frauen. Kate spürte einen heftigen Stich in ihrem Herzen. Das Amulett einer Frau, die ein Kind verloren hatte, als Geschenk für eine Frau, die sich ein Kind wünschte. Wie konnte Endor von diesem Wunsch wissen? Kate hatte ihr nichts davon gesagt. Aber die meisten Frauen wünschten sich ein Kind. Vielleicht handelte Endor nur auf eine Vermutung hin.
»Vielen Dank, Endor, aber ich kann Euer Geschenk nicht annehmen. Ihr könnt doch nicht auf den Schutz dieses Amuletts verzichten.«
Endor runzelte die Stirn, tat so, als würde sie sich die Kette um den Hals legen, und zeigte dann auf Kate.
»Legt sie um«, sagte der Kapitän. »Sie möchte, dass Ihr sie bekommt. Sie wird nicht lockerlassen, bis Ihr sie nehmt.«
Aha. Er hatte sie also beobachtet. Kate wollte ihn fragen, ob er wusste, wie wichtig diese Heilige für eine kinderlose und arme Frau wie Endor war. Aber natürlich konnte sie das nicht in Endors Gegenwart tun. Sie legte die Kette um.
»Ich werde sie in Ehren halten und mich stets an die Güte derjenigen erinnern, die sie mir geschenkt hat«, sagte sie. »Ich fühle mich jetzt wohl behütet.«
Endor nickte ernst, so als hätte sie gerade alles in ihrer Macht Stehende getan, um eine Katastrophe abzuwenden. Kate musste plötzlich wieder an den Abend denken, an dem Endor, nachdem sie in die Schüssel mit Wasser gesehen hatte, aus der Kabine gerannt war. Ihr Geschenk erinnerte sie daran, dass sie auf Schutz angewiesen war – als ob sie eine solche Mahnung gebraucht hätte, schließlich stand der Agent des Königs ganz in ihrer Nähe. Das Gewicht der Münze zu spüren, hatte etwas Beruhigendes. Nicht, dass sie sich durch das billige Stück Zinn beschützt fühlte, aber diese Frau, die selbst so wenig besaß und sich anscheinend um sie sorgte, hatte ihr Trost gespendet.
»Also, Kapitän, vielen Dank für Eure …« John konnte nicht so reden, wie er wollte, da Vaughan noch immer in der Nähe stand. »Euer … Entgegenkommen und Eure Gastfreundschaft.« Er gab dem Kapitän die Hand und schüttelte sie kräftig, so als versuche er mit dem Händeschütteln das auszudrücken, was er nicht mit Worten sagen konnte.
»Ja, Kapitän Lasser, wir sind Euch überaus dankbar«, fügte Kate hinzu und versuchte mit ihrem Blick ebenfalls das zu sagen, was sie nicht aussprechen durfte.
»Wir laufen diesen Hafen häufig an. Falls Ihr irgendwann einmal ein Schiff braucht, dann haltet einfach nach der Siren’s Song Ausschau oder fragt an den Docks«, sagte der Kapitän beiläufig. Eine höfliche Antwort. Als wären sie zwei Passagiere, denen er vielleicht irgendwann einmal wieder begegnete. Aber das würde natürlich niemals geschehen.
Der leichte Druck von Johns Hand auf ihrem Rücken dirigierte sie auf das Fallreep.
»Geh langsam«, sagte er. »Zu dieser Jahreszeit sollte man lieber nicht ins Meer fallen.«
In seiner Stimme hörte sie keine Spur jener Besorgnis, die sie selbst empfand. Als sie vorsichtig ihren Fuß auf das Dock setzte, wurde ihr mit einem Mal bewusst, dass jede Spur von dem Mann fehlte, der ihren Koffer getragen hatte. Sie ließ ihren Blick über die Menge schweifen. Er hatte braune Haare gehabt, nicht wahr? Ja, braune Haare. Anstelle einer Kappe hatte er ein blaues Halstuch um seinen Kopf gebunden. Johns Hand lag noch immer auf ihrem Rücken, der Druck war fest und beharrlich, als er jetzt seinen Schritt beschleunigte.
Vaughan rief ihnen hinterher:
»Vergesst nicht, Master Gough, falls Ihr Frith oder Tyndale trefft, dann sagt ihnen, dass der König ihnen Amnestie anbietet.«
»Geh weiter«, flüsterte John, als sie auf den belebtesten Bereich des Docks zueilten. »Tu so, als hättest du nichts gehört. Als Nächstes wird er noch fragen, wo wir wohnen.«
Jemand rempelte Kate an und trat auf den Saum ihres Rocks. Sie spürte, wie der Stoff riss, behielt aber ihren Schritt unbeirrt bei.
»John, er hat Amnestie gesagt …«, stieß sie heftig atmend hervor. »Der König bietet dir Amnestie an … vielleicht sollten wir zurückgehen und …«
»Vielleicht ist das nur eine List«, sagte er. »Geh weiter.« Als sie sich nach ein paar Minuten umsahen, stellten sie fest, dass Stephen Vaughan in der Menge verschwunden war. John ging jedoch keineswegs langsamer. Kate bekam allmählich Seitenstechen, aber dieses Unbehagen vergaß sie schon bald. Sie blieb so abrupt
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