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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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stehen, dass John beinahe gestolpert wäre.
    »Mein Koffer, John«, jammerte sie. »Unsere ganzen Sachen. Wo ist der Mann mit unserem Koffer?«
    »Mach dir keine Gedanken um deinen Koffer. Wir können von Glück reden, dass wir mit dem Leben davongekommen sind.«
    Die Abenddämmerung war rasch heraufgezogen, und mit ihr hielt eine Kälte Einzug, die von baldigem Frost kündete. Inzwischen waren wesentlich weniger Menschen unterwegs. Sogar die Hafenarbeiter hatten die Docks verlassen, zweifellos, um sich einen Platz an einem warmen Kamin zu suchen. Kate zog ihren Mantel fester um sich, innerlich stöhnend – all ihre schönen Sachen! Es war schon schlimm genug, unter lauter fremden Menschen ein neues Leben beginnen zu müssen, aber mit nichts anderem als den Kleidern, die sie auf dem Leib hatte, das war ein denkbar schlechter Anfang! Hör endlich auf zu jammern, Kate. Sie versuchte mutiger zu klingen, als sie es tatsächlich war.
    »Kennst du den Weg zu dem Haus?«, fragte sie.
    »Das wollte ich den Kapitän fragen«, antwortete er ihr mit kläglicher Stimme. Dann ließ er seinen Blick über die sich rasch zerstreuende Menge schweifen. »Nachts ist es hier bestimmt gefährlich.«
    »Was bedeutet Antwerpen Grote Markt ?«, fragte Kate und zeigte auf einen Wegweiser.
    »Marktplatz. Dort stehen die Zunfthäuser, dort können wir nach dem Weg fragen.«
    Inzwischen hatten sie sich ein paar Hundert Meter von den Docks entfernt. Die schemenhaften Umrisse der Schiffe bewegten sich in der Ferne auf und ab. Sie hätte nicht länger sagen können, welches die Siren’s Song war, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Sie wandten sich in die Richtung, in die der Pfeil wies, und ließen den Fluss hinter sich. Am Ende einer schmalen, verwinkelten Straße, wo sich die Essensgerüche mit den nächtlichen Ausdünstungen des Flusses vermischten, stand eine Laterne.
    Als sie darauf zugingen, hörte Kate plötzlich Schritte hinter ihnen.
    »John …«
    »Ich weiß. Ich habe es auch gehört. Geh schneller.«
    »Ich kann nicht schneller gehen.«
    Und genau in diesem Moment:
    »Master Frith, wartet. Ich habe noch Euren Koffer.« Es war die Stimme des Seemanns, der ihren Koffer getragen hatte.
    »Ich versuche schon die ganze Zeit, Euch einzuholen. Der Kapitän sagte, dass ich Euch folgen und dafür sorgen soll, dass ihr auch sicher und wohlbehalten an Eurem Ziel ankommt. Vorhin hätte ich Euch fast aus den Augen verloren.«
    Wenn Kate nicht so außer Atem gewesen wäre, hätte sie erleichtert aufgeseufzt.
    Endors Körper zuckte im Schlaf, als sie in dem kleinen Verschlag im Bug des Schiffes auf ihrer Decke lag. Es war immer derselbe Traum.
    Sie rannte durch eine schmale Gasse, die Rottenhouse Row. Schnell. Atemlos und panisch. Sie waren hinter ihr her, kamen näher, ihre Schritte waren laut, wurden immer lauter, hämmerten, hämmerten. So wie ihr Herz. Es waren fünf.
    Es war noch ein sechster bei ihnen gewesen, hinter der Schenke, zu der sie gegangen war, um Brot auszuliefern. Sie sah das Messer, mit dem sie ihm die Kehle aufschlitzten, hörte ihn gurgeln und sah, starr vor Entsetzen, wie das Blut aus seinem Hals schoss.
    Ich werde nichts verraten , rief sie, da hatten sie sie schon gepackt. Du wirst nichts verraten, nein, du Hexe, das wirst du bestimmt nicht. Einer bog ihr den Arm auf den Rücken. Bitte, bitte, lasst mich gehen. Ich werde nichts verraten. Aber sie vergewaltigten sie, einer nach dem anderen warf sich mit brutaler Gewalt auf sie, bis sie würgend dalag und an ihrer eigenen Schande und ihrem Erbrochenen fast erstickt wäre. Da stieß ihr der Letzte von ihnen die Faust in den Mund und zog ihre Zunge heraus, bis sie fürchtete, er würde sie an der Wurzel aus ihrem Hals reißen. Aber er hatte etwas anderes vor. Ein barbarischer Hieb, ein zweiter, ein dritter und noch einer – während sie verzweifelt versuchte, sich zu befreien –, mit demselben Messer, mit dem er den Mann getötet hatte. Dann nur noch der Geschmack von rostigem Metall und Blut und ein unerträglicher Schmerz, der sich in ihr Gehirn brannte wie ein glühend heißes Eisen.
    Sie wachte stets auf, während sie vergeblich um Hilfe zu rufen versuchte – es war nur ein hilfloses, von Scham erfülltes Stöhnen.
    Es dauerte stets eine Zeitlang, eine atemlose, schreckliche Minute, bis sie wieder wusste, wo sie war, bis sie zuerst die Planken unter sich und dann die weichen Wolldecken spürte. In dieser schrecklichen Minute glaubte sie, noch immer

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