Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
englische Wolle tragen. Es kann ihm folglich bestimmt nicht daran gelegen sein, das Handelsabkommen zu gefährden. Wenn wir ihn also nicht gerade mit der Nase darauf stoßen, wird er sich ausschließlich auf die englischen Schmuggler und Großhändler konzentrieren.«
»Wer wird die nächste Lieferung in Empfang nehmen, jetzt, da Garrett verhaftet ist?«
»Einige der Buchhändler werden sie direkt abholen. Wenn Ihr Euren Bruder findet und er unsere Sache noch immer unterstützen will, dann sagt ihm, er soll bei Sir John Walsh in Little Sodbury vorbeisehen.«
»Falls ich ihn finde.«
»Macht Euch keine Sorgen, Mistress. Sie haben einfach nur ein großes Netz ausgeworfen und im Trüben gefischt. Die kleinen Fische werden sie ins Wasser zurückwerfen – früher oder später jedenfalls. Die Kerker platzen schon aus allen Nähten. Ich habe gehört, dass sie sogar schon ein paar Studenten aus Oxford, die Bücher bei Garrett gekauft haben, im Fischkeller unter dem Cardinal College eingesperrt haben. Man wird sie Ehrfurcht vor dem Papst lehren und dann wieder nach Hause schicken.«
»Und was ist mit Master Garrett?«
»Nun, ich denke, ihn werden sie nicht so schnell laufen lassen. Er gilt als einer der wichtigsten Großhändler – und er predigt auch noch. Außerdem wurde er bereits verwarnt. Wenn man einmal verwarnt wurde …« Er beendete den Satz mit einem Schulterzucken.
Also wird John auch verwarnt werden, dachte Kate. Aber sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken, was das für sie beide bedeuten würde. Zuerst musste sie ihn erst einmal finden.
Im Fischkeller stank es erbärmlich. Und nicht nur, wie schon der Name besagte, nach Fisch, sondern auch nach menschlichen Exkrementen und dem Moder, der die feuchten Wände überzog. Und dann war da noch ein anderer Geruch, den er nicht benennen konnte. Es mochte die Angst sein, das sagte ihm sein Verstand. Der Gestank der kollektiven Angst, den er und die fünf Studenten vom Cardinal College verströmten, die man unter dem Verdacht, lutherische Bücher zu besitzen, in Haft genommen hatte. John Frith rezitierte Homer auf Griechisch, um in diesem Dreck und in der Dunkelheit nicht verrückt zu werden. Aber im Laufe der letzten Woche hatte sein stimmgewaltiger Chor nachgelassen.
»Mein Gott, Mann, jetzt mach doch mal eine Pause. Clerke ist schlecht«, vernahm er eine Stimme aus der Dunkelheit.
»Ich weiß. Ich habe es gerochen. Tut mir leid. Aber wir dürfen jetzt nicht nachgeben. Sie werden uns sicher bald rauslassen. Selbst Dekan Highdon kann uns nicht ewig ohne einen Prozess in diesem stinkenden Keller festsetzen! Er will uns nur Angst machen. Wir sollen weich werden.«
»Dann macht er seine Arbeit verdammt gut.« Das war Sumners Stimme, Sumner, um den er sich die meisten Sorgen machte. Er war schon bei schlechter Gesundheit gewesen, bevor man sie inhaftiert hatte.
»Wir müssen Vertrauen haben«, sagte Frith und versuchte dabei stark und zuversichtlich zu klingen. »Der Aufseher wird bald seine Runde machen, und dann wird man uns mit einer Verwarnung und einer öffentlichen Schelte in der Kapelle wieder freilassen.«
»Hm! Ich setze meine Hoffnung nicht auf den Aufseher. Thomas More liebt es, Ketzer zu jagen. Er wird der Letzte sein, der uns freilässt.« Bayleys Stimme.
»Woher willst du das denn wissen?«, fragte Frith.
»Das hat mir Garrett gesagt. Als er über Weihnachten mit dem Chorleiter bei uns Quartier genommen hatte. Er sagte, dass ihm durchaus bekannt sei, dass Bischof Tunstall und More hinter ihm her seien.«
»Das klingt wie ›Kauft meine Bücher, und übrigens, sie werden dich vielleicht umbringen‹. Ein guter Zeitpunkt, um uns das mitzuteilen«, meinte Frith ein wenig verächtlich.
»Hätte es dich davon abgehalten?«, fragte Bayley.
»Da ist was dran«, sagte Frith und bürstete das graue Salz von seinem Umhang, als er ihn ablegte und Sumner reichte. »Leg ihn Clerke um. Einem Mann sollte nicht gleichzeitig schlecht und kalt sein. Wir dürfen den Mut nicht verlieren. Der Kardinal, der Dekan und selbst More wollen vermeiden, dass bekannt wird, dass das College mit Ketzerei infiziert ist. Weshalb, glaubt ihr, haben sie uns hier eingesperrt und nicht in einem königlichen Gefängnis?«
»Möglicherweise ist in den anderen Gefängnissen ja kein Platz mehr«, erwiderte Sumner mit matter Stimme. »Oder vielleicht wollen sie uns einfach verrotten lassen wie den stinkenden Fisch hier.« Er zeigte auf die Fässer in der Ecke.
»Oh, nein,
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