Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
zwanzig Pfund geschickt, die er bei seinen Freunden im Bistum gesammelt hatte, damit er sich für diesen Anlass einen neuen Mantel kaufen konnte. Thomas hatte das Geld behalten – die Preise für Federn und Tinte waren in letzter Zeit erheblich gestiegen –, erklärte seinen kleinmütigen Freunden jedoch, dass dies eine Frage des Prinzips sei und er sich nicht herablassen und sich wieder einschmeicheln werde.
»Warum tust du uns das nur an, Thomas More?«, fragte Lady Alice ihn jetzt mit ruhiger Stimme.
»Ich tue das, was mir mein Gewissen gebietet, Alice. Von einem Mann sollte man nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten.«
»Dann wirst du es dir also nicht noch einmal überlegen?«
»Nein, das werde ich nicht.«
»Gut. Aber vergiss nicht, dass du nicht der Einzige bist, der wegen deines Gewissens leidet.« Sie ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Thomas fragte sich, wie wohl der nächste Schritt des Königs aussehen würde und wie er darauf reagieren sollte. Wie hatte es nur so weit kommen können, dass er und »der Verteidiger des Glaubens« sich wegen einer Frau so unversöhnlich gegenüberstanden? Er stand noch immer am Fenster und dachte über diese Frage nach, als er einen Reiter sah, der sich im Galopp dem Haus näherte. Er erkannte den kleinen Schneider sofort. Seine Stimmung besserte sich unverzüglich, als er zur Tür ging, um ihm zu öffnen.
»Master Holt? Kommt herein. Kommt herein. Ich hoffe, Ihr habt gute Neuigkeiten. Haltet Ihr den Beweis in Händen?«
Der Schneider aus Chelmsford lächelte breit.
»In der Tat, Sir Thomas, das habe ich. Diesmal sind es nicht nur ein paar Notizen, nein, es ist eine ganze Predigt, in der die heilige Messe mit jeder einzelnen Silbe in Zweifel gezogen wird. Genau das, worum Ihr mich gebeten habt.«
»Gut gemacht. Gut gemacht«, sagte Thomas, als er ihm das zusammengerollte Papier aus der Hand riss. Als er es überflogen hatte, war er zufrieden. Er spürte, wie sich schon lange nicht mehr benutzte Muskeln regten, als sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. »Das müsste genügen.« Er legte in einem Moment seltener Kameradschaft den Arm um William Holts Schultern. »Ihr werdet noch im Himmel dafür belohnt werden, aber hier auf Erden sollt Ihr nicht so lange auf Euren Lohn warten«, sagte er, als er seinen Schreibtisch öffnete und die zwanzig Pfund hervorholte, die Cuthbert Tunstall ihm für einen neuen Mantel geschickt hatte.
William Holt starrte das Geld an und schüttelte den Kopf. »Nein, Mylord, ich werde keine Bezahlung annehmen. Die Wahrheit ist, dass es schwieriger war, als ich gedacht hatte. Ich mag diesen Mann. Er scheint kein so schlechter Kerl zu sein, wie ich dachte. Ihr wisst, dass er eine Frau hat?«
»Ich habe davon gehört. Habt Ihr Informationen darüber, wo sie sich aufhält?«
»Nein. Er hat es nie erwähnt.«
Er sah Thomas dabei nicht an, sondern starrte aus dem Fenster. Thomas wusste, dass er log, aber im Augenblick würde er es dabei bewenden lassen.
»Wann wird Frith vor Gericht gestellt?«, fragte Holt.
»In ein paar Wochen. Ich muss diesen Beweis erst Bischof Stokesley zuleiten, der ihn dann dem König vorlegen wird. Und somit kann nicht einmal der Erzbischof einen Prozess und den unvermeidlichen Schuldspruch verhindern. Ihr habt das sehr gut gemacht.«
»Wirklich schade«, sagte der Schneider. »Ich freue mich nicht, ihn brennen zu sehen.«
»Seid frohen Mutes, Mann. Denkt an seine Seele. Wenn ihm tatsächlich der Scheiterhaufen droht, wird er sicher widerrufen. Diese Möglichkeit steht ihm jederzeit offen.«
»Ich glaube nicht, dass er das tun wird.«
»Wahrscheinlich habt Ihr recht«, sagte Thomas und täuschte mehr Mitleid vor, als er tatsächlich empfand. »Wenn ein fanatisches Dogma einen Mann erst einmal in Besitz genommen hat, verabschiedet sich sein Verstand. Aber Ihr braucht Euch trotzdem keine Sorgen zu machen. Ihr habt Eurer Kirche einen großen Dienst erwiesen. Nehmt die zwanzig Pfund. Ihr habt sie Euch redlich verdient.«
Nachdem William Holt das Geld widerwillig eingesteckt hatte und gegangen war, widmete sich Thomas der Predigt, in der Frith die wahre Gegenwart des Leibes Christi bei der Eucharistie leugnete. Thomas’ Begeisterung wuchs mit jedem Wort, das er las, während er in Gedanken bereits die Anklage vorbereitete. Dies müsste genügen. Selbst der König durfte eine solche Ketzerei nicht einfach hinnehmen.
»Ich kann nichts mehr für ihn tun. Der Mann ist tatsächlich ein
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