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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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bescheidenen Gesellschaft begnügen müssen.«
    Sie setzte sich kerzengerade im Bett auf, Empörung lag in ihrem Blick.
    »Du bist ein Narr, Thomas More. Ist dir überhaupt bewusst, was du da gerade gesagt hast? Ganz London flüchtet, und du stürmst wie ein Wilder direkt ins Herz der Pestilenz, damit du sie dann wie ein prächtiges Geschenk deiner Familie mitbringen kannst.«
    »Pass auf, Mistress More, dass du den Bogen nicht überspannst«, sagte er, während er seinen Wappenrock anzog. Seine Nachsicht ihr gegenüber hatte Grenzen, wenn sie seine Liebe gegenüber seiner Familie in Frage stellte. Für seine Familie tat er alles. »Ein Mann muss seine Pflicht erfüllen, ob ihm das nun gefällt oder nicht«, sagte er. »Und abgesehen davon, welche Pestilenz könnte schon bei deiner scharfen Zunge gedeihen.«
    Sie sank wieder in die Kissen zurück und zog die Decke bis zum Kinn hinauf.
    »Du bist ein wirklich pflichtbewusster Mann. Das muss man dir lassen.« Das hörte sich jedoch nicht wie ein Kompliment an. »Dann geh schon. Mach, was du willst. Deine Pflicht und deine Paragraphen mögen wichtig sein, und dennoch würde ich kein allzu großes Vertrauen in sie setzen. Schließlich sind es die Menschen, die wirklich von Bedeutung sind.«
    »Meine Paragraphen haben dir bisher sehr gute Dienste erwiesen, Mylady. Ich werde mein Vertrauen niemals in die Menschen setzen.« Er griff nach seinem Lieblingshut. »Der König, dessen Gunst wir gegenwärtig genießen, würde nicht eine Sekunde zögern, meinen Kopf auf den Richtblock zu legen, wenn er glaubt, dadurch auch nur eine einzige Burg zu gewinnen. Nein, ich setze mein Vertrauen in das Gesetz. Das Gesetz ist nicht wankelmütig. Und du solltest das ebenso tun.«
    Er seufzte, des Wortgeplänkels müde, das ihre alltägliche Verständigung inzwischen prägte. »Ich versuche, noch bevor du zu Bett gehst, wieder zurück zu sein«, fügte er hinzu.
    »Stets der pflichtbewusste Ehemann«, murmelte sie, als sie sich auf die Seite drehte und sich die Decke über den Kopf zog.
    Als Thomas den ersten der acht Räume betrat, den man auf dem Weg zur Star Chamber der Westminster Hall durchqueren musste, fiel ihm die ungewöhnliche Stille auf. An die kostbaren Möbel, die Wandteppiche, die goldenen Kerzenständer und Wandleuchter, an die vergoldeten Decken, selbst an die mit Sternen übersäte Decke, die der Star Chamber, in der der Rat tagte, ihren Namen verliehen hatte, hatte er sich inzwischen gewöhnt. Ohne das Gewimmel von Menschen wirkte alles noch prächtiger und eindrucksvoller. Als er die Tür zu dem großen Gerichtssaal öffnete, war er ein wenig verblüfft. In dem Raum, der mit seinen kostbaren Wandteppichen und vergoldeten Ornamenten noch prunkvoller ausgestattet war als alle anderen Räume der Westminster Hall, saß kein einziges Mitglied des Kronrats.
    Bis auf Wolsey. Er saß allein in der Mitte des Saales auf dem Wollsack des Lordkanzlers. Sein Kardinalsgewand war um ihn herum ausgebreitet wie die Röcke einer Kurtisane. Der finstere Ausdruck auf seinem Gesicht verlieh ihm das Aussehen einer riesigen, roten Kröte, die sich eine orangefarbene Duftkugel vor die Nase hielt, um die Krankheit abzuwehren, die sich, wie er glaubte, gleich im Raum ausbreiten würde. Als er sah, dass es lediglich Thomas war, wich der finstere Gesichtsausdruck einem dünnen Lächeln, und er legte die mit Nelken gespickte Orange zur Seite. Ihr würziger Duft wetteiferte mit den Kräutern, mit denen der Boden bestreut war und die die abgestandene Luft des geschlossenen Raumes mit einem unangenehmen Geruch erfüllten.
    »Thomas«, sagte der Kardinal in einem Ton, den er stets verwendete, wenn er sich über einen besonders glücklichen Zufall freute. »Es scheint, als wären andere nicht so gewissenhaft wie Ihr und ich. Wir sind im Moment nicht beschlussfähig, also habe ich alle Verhandlungen vertagt. Der Gerichtsdiener hat inzwischen alle Bittsteller und Kläger nach Hause geschickt. Sie werden also ihre giftigen Ausdünstungen hier nicht verbreiten können. Ich habe Euch keinen Boten geschickt, weil ich davon ausgegangen bin, dass Ihr Euch bereits auf den Weg gemacht habt. Abgesehen davon wollte ich Euch sprechen.«
    Er erhob sich schwerfällig von dem Wollsack und ging zu dem Tisch hinüber, an dem sonst die gerichtlichen Verfügungen ausgefertigt wurden. »Nehmt Platz, Thomas«, sagte er freundlich – er konnte durchaus jovial sein, wenn er in der entsprechenden Stimmung war oder es seinen

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