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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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einer Art von Dankbarkeit hingenommen.
    »Was sagen dir deine Hexenkugeln, Endor?« Endor – das war der Name, den er ihr gegeben hatte, denn sie war nicht nur stumm, sondern offensichtlich auch Analphabetin, weil sie ihm ihren Namen nicht aufschreiben konnte. »Wird es Sturm geben?«
    Sie zeigte stumm zum Horizont. Ein Blitz zuckte über den Himmel.
    »Richtig.« Der Kapitän lachte. »Das sieht auch für mich wie ein untrüglicher Hinweis aus.«
    Der erste Maat meldete sich zu Wort. Sein Mund zuckte nervös. Tom wusste nicht, was ihn mehr beunruhigte, Endor oder das Unwetter.
    »Wir könnten die Ladung einfach in Fässern zu Wasser lassen. Die meisten von ihnen würden ans Ufer gespült werden«, sagte er.
    Tom wusste, dass im Schiffsmanifest etwas von Korn, Tuch aus Flandern und ein paar Gewürzen stand. Doch tatsächlich lagen in ihrem Frachtraum spanischer Wein und englische Bibeln. Er hatte geplant, einen Teil an einem der kleinen ruhigen Ankerplätze in Greenwich oder an einer anderen Stelle zu löschen – an der Nordseeküste gab es viele abgelegene, kleine Buchten, in denen die Mannschaft bei Niedrigwasser die Ladung zu Fuß ans Ufer schaffen konnte –, in Gravesend war jedoch ein Zollbeamter an Bord gekommen, damit sie sich an die Vorschriften hielten. Er war den ganzen Weg bis nach London hinauf an Bord geblieben. Vor dem Bristolkanal hatten sie keine Möglichkeit gehabt. In London selbst sollten sie eine andere Ladung an Bord nehmen – grobes Leinen, von den vielen Heimarbeitern in Gloucestershire gewebt. Sie sollte am Zoll vorbei ausgeführt werden. Er hatte im Haus von Mutter Grindham am Kai bereits ein Bestechungsgeld von dreißig Pfund hinterlegt, damit der Mann vom Zoll so lange verschwand, bis das Leinen sicher an Bord war. Diese Summe hatte er natürlich auf die Frachtkosten aufgeschlagen – für die Weber war das noch immer billiger, als die immens hohe Ausfuhrsteuer des Königs zu bezahlen.
    Das Wasser in der Bucht war still. Der Himmel hatte sich jedoch immer mehr verdunkelt, als die Wolken mit ihrer schweren Fracht heranzogen. Sein erster Maat warf ihm einen nervösen Blick zu, zeigte dann zum westlichen Horizont.
    »Gebt Befehl, Käpt’n.«
    Tom schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich denke, es wird uns nicht treffen. In einer Stunde wird es dunkel genug sein. Wenn wir das Signalfeuer sehen, werden wir die Boote mit der Fracht ans Ufer schicken.«
    Tom war jedoch keineswegs der Meinung, dass der Sturm sie verschonen würde. Er sollte nämlich nicht nur Fracht aufnehmen, sondern hatte Humphrey Monmouth versprochen, auch einen Passagier an Bord zu nehmen, und Monmouth hatte ihm viel zu oft die Haut gerettet, als dass Tom ihn im Stich lassen würde. Abgesehen davon machten sie miteinander gute Geschäfte, und Kapitän Lasser hatte den Ruf, dass er zuverlässig lieferte. Es gab andere Schiffe und andere Kapitäne, an die Monmouth sich jederzeit hätte wenden können. Ein anderer Kaufmann hatte bereits seinen eigenen »Küstenfahrer«, die Dorothy Fulford, bauen lassen. Er prahlte damit, dass er sie binnen eines Jahres allein von den Gewinnen durch den Schmuggel bezahlen könne. Tom wollte nicht, dass Monmouth über eine solche Idee auch nur nachdachte.
    Er warf einen Blick auf die Stelle an der Reling, wo Endor gestanden hatte, aber sie war, leise wie ein Schatten, wieder verschwunden.
    »Sag den Männern, sie sollen die Takelage sichern und sich auf den Sturm vorbereiten«, sagte er.

9

    Der König untersteht auf dieser Welt keinem Gesetz; und mag nach Belieben Recht oder Unrecht walten lassen und soll allein vor Gott Rechenschaft ablegen.
    William Tyndale,
»Der Gehorsam eines Christenmenschen«, 1528.
    E uer Majestät, Euer Werben ist zu viel für eine einfache Maid.« Lachend entzog sich Anne Boleyn der Umarmung des Königs, in der Hoffnung, seine Leidenschaft einzudämmen, ohne seinen Zorn zu entfachen. Sie war sich des schmalen Grats, auf dem sie wandelte, stets bewusst.
    Es war ein herrlicher Spätsommertag in Hampton Court, ein Tag voller Möglichkeiten und Hoffnungen. An solch einem Tag, wenn kleine Vögel in den kunstvoll gestutzten Hecken zwitscherten, glaubte Anne beinahe, dass sie seine Königin werden könnte. An solch einem Tag, wenn der Duft von Sonnenschein und Rosen in der Luft hing, wollte sie beinahe daran glauben, dass Heinrich ein ehrlicher und aufrichtiger Mensch war.
    Ein Windstoß bewegte die Bänder an ihrem Mieder, die der König mit eifrigen Fingern aufgeschnürt

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