Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Begleiter nicht mehr schlief, so war er jetzt in sich gekehrt und schien zu keinem Gespräch mehr aufgelegt zu sein. Die Fröhlichkeit, die er noch beim Frühstück ausgestrahlt hatte, war einer Maske des Schmerzes gewichen. Seine dunklen Augen waren umwölkt.
Inzwischen war Kate gezwungen, über ein weiteres Ungemach nachdenken. Es hatte vor ungefähr einer Stunde mit einem schmerzhaften Ziehen im Unterleib begonnen, und mit jedem Stoßen und Ruckeln des Wagens hatte sich dieser Schmerz weiter in ihrem Rücken ausgebreitet. Es musste an den Erschütterungen der Fahrt liegen oder vielleicht auch an den Bedenken, die sie angesichts ihres Plans quälten, der ihr jetzt sehr dumm vorkam. Aber was auch immer das verfrühte Eintreffen ihres Monatsflusses ausgelöst haben mochte, sie war nicht darauf vorbereitet. Wieder war sie dankbar für Johns dunklen und schweren Mantel. Wenn sie erst einmal Sodbury Manor erreicht hatten, konnte sie entscheiden, was sie tun sollte. Was sollte ihr schon geschehen, wenn ihre Begleiter herausfanden, dass sie eine Schwindlerin war? Gewiss, sie würden verärgert sein, aber die Waren würden sie ihr bestimmt nicht vorenthalten, wenn auch nur John zuliebe.
Blitze erhellten die Unterseite der bedrohlich dunklen Wolken. Der Wagen schlingerte, und Kate stöhnte leise auf. Sie warf einen kurzen Blick auf Frith. Er hatte den Kopf zurückgelegt und an die Seite des Wagens gelehnt. Seine Augen waren geschlossen. Kate wusste, dass ihm, wenn man seiner habhaft wurde, weit mehr als nur ein paar ärgerliche Worte drohten. Er schien weder die Blitze noch ihr Stöhnen bemerkt zu haben.
»Wir sind da«, rief Swinford. »Und kein bisschen zu früh. Es fängt gleich zu regnen an. Steigt aus. Ich bringe noch die Pferde in den Stall.«
Ein lautes Donnergrollen antwortete ihm, begleitet von einer heftigen Windböe. Kate stand mit weichen Knien auf. Als sie vom Wagen heruntersprang, spürte sie den warmen Schwall zwischen ihren Beinen. Instinktiv presste sie die Schenkel zusammen. Auch John Frith kletterte vom Wagen. Er schien ebenso wackelig auf den Beinen zu sein wie sie. Der Eingang des hell erleuchteten Herrenhauses, vor dem sie standen, wirkte so einladend wie die Tore des Paradieses.
Lord und Lady Walsh empfingen sie an der Tür.
»Seid willkommen und tretet ein. Wir haben nicht viel Zeit zu verlieren«, sagte der Lord. »Aber Ihr habt natürlich noch Zeit, eine kleine Erfrischung zu Euch zu nehmen, bevor wir die Schiffsladung abholen«, fügte die Lady hinzu. Das Licht der Kerzen in den Leuchtern, die sowohl von den hohen Deckenbalken herabhingen als auch an den Wänden angebracht waren, verdrängte die Düsternis des herannahenden Unwetters. Hin und wieder erhellte ein Blitz die beiden bunten Glasfenster hoch oben zu beiden Seiten eines großen Kamins, das Geräusch des Donners wurde jedoch von den dicken, verputzten Wänden gedämpft. Die Kerzen flackerten kurz im Luftzug, als jetzt auch Swinford hereinkam und sich ein paar Regentropfen von den Schultern wischte.
In der Mitte des Saales stand ein üppig gedeckter Tisch. Kate sah Scheiben von gebratenem Fleisch und frisch gebackenes Brot. Ein Korb voller Äpfel und rosiger Birnen schimmerte im Licht der Kerzen in einem silbernen Kandelaber. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie groß ihr Hunger war, aber gleichzeitig erinnerte sie der Schmerz in ihrem Unterleib daran, das sie sich zuerst noch um etwas Dringenderes kümmern musste.
»Mylady, kann ich Euch kurz sprechen?«
Lady Walsh sah sie erwartungsvoll an.
»Unter vier Augen, bitte«, stammelte Kate und spürte, wie ihre Haut zu glühen begann. Auch der verblüffte Ausdruck auf Swinfords Gesicht entging ihr nicht. John Frith hingegen schien viel zu müde, um irgendetwas zu bemerken, als er sich auf eine Bank vor dem Kamin fallen ließ.
»Aber selbstverständlich«, sagte die Lady und trat auf Kate zu, die ein Stück abseits stand.
Kate flüsterte ihr etwas ins Ohr. Auf Lady Walshs Gesicht zeigte sich nur für einen kurzen Moment lang ein überraschter Ausdruck. »Greift bitte zu, Gentlemen. Wir werden ohnehin abwarten müssen, bis das Unwetter vorbei ist. Lord Walsh wird euch darüber informieren, was an diesen Abend vorgesehen ist. Der junge Master Gough und ich sind gleich wieder zurück.« Sie lächelte Kate freundlich an, während sie ihr mit einem Wink bedeutete, ihr zu folgen.
Keiner von ihnen bemerkte, dass John Frith bewusstlos geworden war.
»Trimmt das Großsegel«, rief der
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