Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Wassertropfen auf! Schnell, taucht den Zipfel des Tuchs ins Wasser.«
Ihre Finger entfernten sich von seinen Lippen. Wenn er gekonnt hätte, hätte er diesen Verlust beweint. Zögernd kaute er an dem Tuch. Das grobe Gewebe scheuerte an seinen ausgedörrten Lippen. Es war zwar nicht so weich und glatt wie die Finger, dafür aber feuchter. Er saugte gierig wie ein hungerndes Kind, das zum ersten Mal an der Brust seiner Mutter trinkt.
»Das macht Ihr gut so.« Ihr Haar berührte seine Wange, als sie sich über ihn beugte. Sie roch nach Lavendel. Er saugte fester.
Das Wasser lief ihm in den Hals. Er verschluckte sich. Sie half ihm in eine sitzende Position. Keuchend und um Luft ringend öffnete er die Augen gerade lange genug, um das Gesicht des Engels zu sehen, der ihn in seinen Armen hielt.
»Schnell, lauft zu Mylady und sagt ihr, dass er wach ist«, hörte er den Engel sagen. Dann wandte der Engel sich ihm wieder zu und strich ihm über die Stirn, während er ihm mit beruhigender Stimme etwas ins Ohr murmelte.
Ich bin gewiss im Paradies, denn wo sonst sollte dieses himmlische Wesen wohnen, dachte er und sehnte sich danach, für immer dort zu bleiben. Das Licht jedoch schmerzte in seinen Augen, und in seinem Kopf begann es wie wild zu pochen. Er versuchte mit seiner geschwollenen Zunge Worte zu formen, um den Engel zu fragen, ob er wirklich oder alles nur ein Traum war, den sein fiebriger Geist heraufbeschworen hatte. Aber das Ungeheuer zog ihn wieder in die Tiefe, bis er schließlich weder das Gesicht des himmlischen Wesens sehen noch seine Stimme hören konnte.
Kate fuhr mit einem Ruck in ihrem Sessel hoch, in dem sie eingeschlafen war. Die Kerze war inzwischen erloschen, aber im Zimmer war es hell, also musste es bereits Tag sein. Das Kribbeln in ihren Beinen und ihren steifen Nacken ignorierend, beugte sie sich über ihren Patienten und legte die Hand auf seine Stirn.
Er öffnete langsam die Augen.
»Ihr seid viel schöner als Lazarus«, flüsterte er leise.
»Master Frith, Ihr seid wach!«, sagte sie und sah ihm in die dunklen Augen. »Euer Fieber ist gesunken.« Ihr Gesicht entspannte sich. Sie lächelte.
»Ich bin schon eine ganze Weile wach. Ich habe Euch beim Schlafen zugesehen«, sagte er. »Ihr habt so friedlich ausgesehen, dass ich auch ganz ruhig wurde.« Seine Stimme war leise und heiser, aber die Andeutung eines Lächelns belebte sein Gesicht, ließ seine hohlen Wangen weniger eingefallen wirken.
Sie errötete und strich sich die Haare aus der Stirn, denn plötzlich wurde ihr bewusst, wie zerzaust sie aussehen musste. »Das ist wahrscheinlich kein angenehmer Anblick für einen Mann, der gerade erst dem Tod entronnen ist«, sagte sie. »Jedenfalls sollte ich diejenige sein, die über Euren Schlaf wacht.«
»Nun, dann war eben jetzt ich an der Reihe, nicht wahr?« Er räusperte sich, und seine Stimme wurde kräftiger. »Jedenfalls war es ein Anblick, der jeden Mann aus dem Totenreich zurückgeholt hätte.«
»Ihr müsst sehr hungrig sein. Ihr habt seit drei Tagen weder etwas gegessen noch etwas getrunken.« Sie goss ihm einen halben Becher Wasser ein und hielt ihn an seine Lippen. »Trinkt langsam.«
Er nahm zwei kleine Schlucke, dann setzte sie den Becher wieder ab.
»Ich erinnere mich an ein paar Tropfen Wasser. Die Hand eines Engels gab sie mir. Deshalb sagte ich, dass Ihr schöner seid als Lazarus. Ihr wisst, was in der Bibel steht? Die Stelle, wo der reiche Mann in der Hölle ist und darum bittet, dass man Lazarus mit ein paar Tropfen Wasser zu ihm schickt?«
»Nun, der Name Lazarus passt besser zu Euch als zu mir, würde ich sagen«, antwortete sie und hielt ihm den Becher wieder an die Lippen. »Glaubt Ihr, dass Ihr etwas Nahrhaftes zu Euch nehmen könnt? Vielleicht ein bisschen Fleischbrühe?«
»Eigentlich muss ich … « Er versuchte sich aufzurichten, fiel aber matt wieder auf das Kopfkissen zurück.
»Ihr seid noch zu schwach, um aufzustehen. Sagt mir einfach, was Ihr braucht.«
Als sein aschfahles Gesicht tatsächlich ein wenig Farbe bekam, begriff sie.
»Oh, das ist ein gutes Zeichen nach so langer Zeit ohne Wasser. Ich werde Gilbert rufen. Er ist derjenige, der Euch gepflegt hat. Ich habe mich nur um Euch gekümmert, wenn Gilbert das nicht konnte.« Als sie nach dem Klingelzug griff, stieß er erleichtert einen leisen Seufzer aus.
»Dann muss ich Euch also für meine Rückkehr aus dem Reich der Toten danken, dabei kenne ich nicht einmal Euren Namen.«
»Ihr müsst vor
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