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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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als Schneider, Weber, Zuschneider und manchmal Schuster enden.
    Sir Thomas Elyot in »The Boke Named The Gouvernor« über den Mangel an Künstlern in England.
    N ach seinem dritten Besuch in Hampton Court innerhalb von drei Wochen war Thomas More froh, endlich wieder in Chelsea zu sein. Es war Freitag. Er hatte sein frühmorgendliches Ritual beendet, hatte sein Instrument der Buße in seinen Kasten zurückgelegt und sich gewappnet, um einer Geißel ganz anderer Art gegenüberzutreten, nämlich Lady Alices scharfer Zunge. »Welchen Sinn hat es, einen Ehemann bei Hofe zu haben, wenn er derart schweigsam ist«, hatte sie beim Frühstück gemurrt, als er ihr sagte, dass er nicht darauf geachtet hatte, was Lady Boleyn getragen und wie sie ausgesehen hatte. Genauso wenig waren ihm all die anderen Belanglosigkeiten aufgefallen, mit denen Frauen sich so gern beschäftigen.
    »Klatsch ist eine Sünde, wie du weißt, Alice«, hatte er in geduldig leidendem Ton geantwortet. »Und der Klatsch bei Hofe ist besonders verderblich.«
    Aber selbst ihre zänkische Gesellschaft und ihre unablässigen Fragen waren ihm lieber als der Sündenpfuhl, zu dem Heinrichs Hof inzwischen geworden war. Besser Alices scharfe Zunge ertragen, als zuzusehen, wie der König von England um seine schwarzäugige lutherische Hure herumschwänzelte, während seine brave katholische Königin in Greenwich litt. Thomas betrat sein Arbeitszimmer, sein Heiligtum, und nahm das Buch, das auf seinem Schreibtisch lag, mit einem tiefen Seufzer in die Hand. Eine weitere unangenehme Pflicht wartete auf ihn.
    An jenem Morgen, an dem Thomas nach Hampton Court aufgebrochen war, hatte ihn der Generalvikar beiseitegenommen. Ausgerechnet jemand aus dem Haushalt eines Anwalts am High Court hatte das Gesetz gebrochen. Noch bevor Thomas sich zu diesem Skandal äußern konnte, hatte der Generalvikar ihm zum Glück einen kleinen Kodex vor die Nase gehalten und wissen wollen: »Was haltet Ihr davon, Master More?«
    Bereits ein kurzer Blick hatte ihm gesagt, dass es sich bei dem schmalen Band um eine englische Übersetzung von Erasmus’ Abhandlung über das Vaterunser handelte. Und sie war von seiner Tochter Meg übersetzt worden! Ihr Tutor, Richard Hyrde, der in Mores Diensten stand, hatte das Vorwort verfasst. Während More vor Stolz auf die Leistung seiner Tochter die Brust schwoll, wies der Generalvikar mit deutlichen Worten darauf hin, dass die Autorin, Margaret Roper geborene More, es versäumt habe, die kirchliche Erlaubnis für die Veröffentlichung einzuholen. Der Generalvikar tippte erregt immer wieder mit dem Zeigefinger auf die Titelseite, wo die Imprimatur cum privilegio a rege indulto hätte stehen sollen, was jedoch offensichtlich nicht der Fall war.
    »Eure Tochter hat gegen das Gesetz verstoßen«, warf der Kleriker ihm vor.
    »Ich … ich habe dieses Buch noch nie zuvor gesehen«, stotterte Thomas. »Ich wusste, dass sie daran arbeitet, aber ich hatte keine Ahnung, dass es schon fertig ist. Ich versichere Euch, dass es, falls wir keine Druckerlaubnis bekommen sollten, unverzüglich zurückgezogen wird. Meine Tochter hat dieses Vergehen aus Unwissenheit begangen, und ich bitte Euch …«
    »Kümmert Euch darum. Sofort. Wir möchten höchst ungern die Aufmerksamkeit des Königs darauf lenken. Vor allem nicht jetzt, da Ihr die Gunst des Königs genießt.«
    In seinem Arbeitszimmer blätterte Thomas jetzt durch das Buch, nahm dabei die durchdachte Gliederung, die klare Sprache wohlwollend zur Kenntnis. Wenn sie ihm ihre Übersetzung doch nur vorher gezeigt hätte. Wahrscheinlich hätte ein Mann, »der die Gunst des Königs genoss«, für seine Tochter die Erlaubnis erwirken können, ein frommes kleines Büchlein zu veröffentlichen, selbst wenn es auf Englisch geschrieben war. Plötzlich sah er wieder Wolsey vor sich, der einst auch die Gunst des Königs genossen hatte, wie er in seinem Arbeitszimmer stand und seine Sachen packte, um sein geliebtes Hampton Court für immer zu verlassen. Thomas hatte das Arbeitszimmer betreten und ihn am Fenster stehen sehen. Der Kardinal sah in den Garten vor dem Fenster hinunter, wo die Hure des Königs gerade mit Minister Cromwell flirtete. »Behaltet diese beiden gut im Auge, Thomas«, hatte der alte Mann gesagt. »Sie gehen mir in letzter Zeit zu freundschaftlich miteinander um.«
    Dass sich der Kardinal nach York zurückzog, wo er weitere Aufgaben als Erzbischof übernehmen sollte, war nichts weiter als der verzweifelte

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