Die Entdeckung der Erde
ihren Erfolgen nach so fruchtbare Reise unter die erfundenen Fahrten zu rechnen, wenn sie nicht durch so glaubwürdige Geschichtsschreiber wie Peter Martyr, Oviedo, Herrera und Garcilasso de la Vega bestätigt würde.
Vasco Nuñez de Balboa, ein fünfzehn Jahre jüngerer Mann als Ponce de Leon, war mit Bastidas nach Amerika gekommen und hatte sich auf Espagnola niedergelassen. Dort versank er aber, wie so viele seiner Landsleute, trotz des »
Repartimiento«
ihm zugetheilter Indianer, so tief in Schulden, daß er sehnlichst die Gelegenheit herbeiwünschte, sich den Verfolgungen seiner zahlreichen Gläubiger entziehen zu können. Zum Unglück verbot eine Verordnung jedem nach dem Festlande bestimmten Schiffe, zahlungsunfähige Schuldner an Bord aufzunehmen. Dank seinem erfinderischen Kopfe, wußte Balboa diese Schwierigkeit zu überwinden und ließ sich in einer leeren Tonne bis auf das Schiff rollen, das Encisco nach Darien führen sollte.
Wohl oder übel mußte sich der Führer der Expedition den ihm so sonderbar aufgedrängten Anschluß des vor den Häschern fliehenden, aber muthigen Abenteurers gefallen lassen. Von den Antillen her gewöhnt, keinen ernsthaften Widerstand zu finden, vermochten die Spanier doch nicht die wilden Völkerschaften des Festlandes zu unterwerfen. In Folge innerer Streitigkeiten mußten sie sich nach St. Maria el Antigua zurückziehen, welches der, an Stelle Encisco’s zum Befehlshaber ernannte Balboa in Darien gründete.
Wußte er sich bei den Indianern durch seinen persönlichen Muth geachtet zu machen, ebenso wie durch seinen, mehr als zwanzig bewaffnete Männer gefürchteten Spürhund Leocillo, der auch Soldatensold empfing, so hatte Balboa jenen durch seine Gerechtigkeitsliebe und verhältnißmäßige Mildheit, welche unnütze Grausamkeiten nicht zuließ, doch auch eine gewisse Sympathie einzuflößen gewußt. Im Laufe mehrerer Jahre erhielt er wiederholt schätzbare Nachrichten über jenes Eldorado, jenes Goldland, das er zwar selbst nicht erreichen sollte, zu dem er seinen Nachfolgern jedoch den Zugang wesentlich erleichterte.
So hörte er von der Existenz eines »sechs Sonnen« (d. h. sechs Reisetage) entfernten anderen Meeres, dem Pacifischen Ocean, das die Küste Perus, eines Landes mit ungeheurem Reichthume an Gold, bewässern sollte. Balboa, dessen Charakter ein eben so zäher war wie der Cortez’ oder Pizarro’s, der aber nicht wie diese Zeit fand, seine außergewöhnlichen Naturgaben in ihrem ganzen Umfange zu verwerthen, täuschte sich nicht über den Werth dieser Mittheilung und sah den hohen Ruhm vor Augen, den eine solche Entdeckung auf seinen Namen häufen müßte.
Er sammelte demnach hundertundachtzig Freiwillige, lauter unerschrockene Soldaten und an die Wechselfälle des Krieges und die ungesunden Ausdünstungen eines sumpfigen Landes, wo Fieber, Ruhr und Leberkrankheiten epidemisch herrschten, hinlänglich gewöhnte Leute.
Wenn der Isthmus von Darien nur sechzig Meilen in der Breite mißt, so trägt er doch eine gewaltige Gebirgskette, an deren Fuße das angeschwemmte, ungemein fruchtbare Land eine Vegetation hervorbringt, von deren Ueppigkeit Europäer gar keine Vorstellung haben. Hier wuchert ein unentwirrbares Netz von Lianen zwischen Farrenkräutern und Baumriesen, welche die Sonne vollkommen verdecken, hier grünt der echte, da und dort von sumpfigen Lachen durchsetzte Urwald mit seiner Unzahl von Vögeln, Insecten und Säugethieren, deren munteres Leben kaum jemals die Erscheinung eines Menschen störte. Die feuchte Wärme dieser Landschaft erschöpft dazu die Kräfte und knickt bald die Energie auch des kraftvollsten Mannes.
Zu diesen Hindernissen, mit welchen die Laune der Natur den von Balboa zu durchmessenden Weg versperrt hatte, traten aber auch noch die nicht minder furchtbaren, welche ihm die wilden Bewohner des ungastlichen Landes zu bereiten suchen konnten. Ohne Rücksicht auf die Gefahren, die seiner Expedition durch die immerhin zweifelhafte Verläßlichkeit seiner indianischen Führer und Hilfsmannschaften drohen mochten, brach Balboa auf unter Begleitung von etwa tausend indianischen Trägern und einer Meute jener schrecklichen Spürhunde, die schon auf Espagnola an Menschenfleisch Geschmack gefunden hatten.
Von den Volksstämmen, auf die er unterwegs stieß, entflohen einige mit Hab und Gut in die Berge, andere benutzten das schwierige zerrissene Terrain, um sich zu widersetzen. In der Mitte seiner Leute marschirend, ihre Entbehrungen
Weitere Kostenlose Bücher