Die Entfuehrung
erreicht hatten. Der Fahrer steuerte mit normaler Geschwindigkeit auf dem üblichen Wege den Federal Triangle an und machte keinerlei Anstalten, die Journalisten abzuhängen. Er hielt am Bordstein in der Pennsylvania Avenue. Eine weitere Meute von Reportern wartete auf der Treppe des Justizministeriums, so als wäre das ganze Medienlager von ihrem Haus zu ihrem Arbeitsplatz gezaubert worden. Sie scharten sich mit instinktiver Zielsicherheit um Allisons Auto, wie blinde Welpen, die im Gerangel um die Muttermilch übereinanderstolpern.
Die Wagentür wurde geöffnet. Der Agent machte den Weg auf dem überfüllten Bürgersteig frei. Allison hielt sich an ihm fest, während sie Richtung Eingang eilten. Die schweren Messing-Glas-Türen öffneten sich, und die Reporter und Kameraleute schoben sich ins Innere, immer auf Allisons Fersen. Allison und die beiden Agenten passierten entschlossen die Sicherheitssperre. Die Sicherheitskräfte mit ihren Metalldetektoren hielten die drängende Meute auf. Ein weiterer Polizist hielt schon den Aufzug für die Justizministerin offen. Allison ließ die beiden Agenten zurück und drückte auf den Knopf, um in ihre Bürosuite zu fahren. Die Tür schien sich in Zeitlupe zu schließen, da das Gebäude mehr als ein halbes Jahrhundert alt war und die Aufzüge auch aus der Zeit stammten. Die Tür öffnete sich im fünften Stock. Harley wartete schon in der Lobby.
»Mein Gott«, sagte sie. »Da draußen war es wie bei den Beatles im Shea Stadium.«
»Hat McCartney bei den Mets gespielt?« scherzte er.
»Seien Sie vorsichtig, Abrams, ich hin nicht so viel älter als Sie.«
Er grinste und zog seine Lederjacke über. Dann war er wieder ernst. »Fertig?«
Allison nickte und ging zu ihrem persönlichen Aufzug -dem sogenannten Marilyn-Monroe-Aufzug, der von der Suite der Justizministerin direkt in den Keller des Justizministeriums führte. Allison drückte auf den Rufknopf, und die Tür öffnete sich. Sie betrat als erste den Aufzug, danach Harley, und die Tür schloss sich hinter ihnen. Der Motor summte, als der Aufzug den Schacht hinab fuhr. Sie standen nebeneinander und starrten auf die beleuchtete Anzeige über der Tür.
»Sagen Sie, ich habe gehört, John F. Kennedy und Marilyn Monroe hätten diesen Aufzug benutzt, um in die Dachkammer zu gelangen, als sein Bruder Justizminister war.«
Sie lächelte. »Ja, das habe ich auch gehört.«
»Also, wenn der Präsident und das berühmteste Sexsymbol der Welt es geschafft haben, in diesem Gebäude unbemerkt ein- und auszugehen, dann können wir das auch.«
»Theoretisch könnte ich ja immer noch Präsidentin werden.« Sie warf ihm einen schelmischen Blick zu, »Dann wären Sie das Sexsymbol.«
Er versuchte das Gefühl zu bekämpfen, aber er wurde schon wieder rot. Er blinzelte und sah weg.
»Übrigens«, sagte sie, »danke für die Filzpantoffeln. Und für Ihre kleine Notiz.«
»Ach, nicht der Rede wert. Ich dachte einfach, es könnte Ihre Laune heben.«
»Hat es auch.«
Sie wartete, bis er sie wieder ansah. » Sie sind ein sehr netter Kerl, Harley. Und Sie sehen gut aus. Nicht der typische FBI-Mann von der Sorte der kantigen Ex-Marines. Ich glaube, Sie könnten eine Frau sehr glücklich machen.«
Er zuckte bescheiden die Achseln. »Kann schon sein.«
Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ich hoffe, Sie finden eine, die nicht schon verheiratet ist.«
Der Aufzug hielt an. Harley erstarrte, als hätte er einen Schlag gegen die Brust bekommen.
»Ich möchte nicht gemein sein«, sagte sie. »Aber es ist nun einmal so.«
Die Tür öffnete sich, und Allison trat hinaus. Die Farbe wich aus Harleys Gesicht, als die Justizministerin direkt auf ihren Mann zuging und ihm einen Kuss gab.
Harley holte tief Luft und schüttelte den abrupten Stimmungswechsel ab. Als er den Aufzug verließ, nahm er den kleinen Metallkoffer wahr, der zu Peters Füßen stand. »Ist das ganze Geld da?« fragte er so geschäftsmäßig wie möglich.
»Alles da«, sagte Peter, der immer noch die Hand seiner Frau hielt. »Möchten Sie es nachzählen, Mr. Abrams?«
Harley fühlte sich unangenehm berührt von der Schärfe in Peters Stimme. Er hatte die Worte ausgespuckt, als spräche er mit jemandem, den er nicht leiden konnte. Und er umklammerte die ganze Zeit Allisons Hand - eine besitzergreifende Geste. Vielleicht hatte er die Pantoffeln gesehen und seine Karte, was Allisons Abfuhr im Aufzug erklären würde. Vielleicht gefiel ihm auch nicht, dass Harley so viel Zeit mit
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