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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Julia. »Darf ich noch etwas sagen?«
    »Einen Augenblick, ich bin noch nicht fertig. Sie sind wirklich ungeduldig, nicht wahr?« Er lachte erneut. »Lassen Sie sich Zeit, sich bei uns einzugewöhnen, und kümmern Sie sich nicht um Ihre männlichen Kollegen. Die haben alle nur das eine im Sinn, aber ich nehme an, daß Sie an so etwas gewöhnt sind. Wie steht es mit Ihnen – haben Sie einen festen Freund? Werden Sie doch nicht rot. Ich möchte über meine Protegés informiert sein, das ist alles. Sie sind ein Protegé, verstehen Sie. Ich denke, daß aus Ihnen etwas werden kann.«
    »Vielen Dank«, entgegnete Julia. »Ich bin übrigens nicht rot geworden. Ich war einfach nur der Meinung, daß Sie kein Recht hatten zu fragen.«
    »Ich habe alle Rechte«, widersprach er bestimmt. »Damit müssen Sie sich abfinden. Sie wollten noch etwas sagen?«
    Er sah sie abwartend an. Sein Blick war kalt und starr. Sie haßte es, auf eine solche Weise fixiert zu werden. Dennoch nahm sie all ihren Mut zusammen und starrte tapfer zurück. »Ja, ich möchte Ihnen sagen, daß dies die Chance meines Lebens ist, für die ich Ihnen gar nicht genug danken kann. Ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen.«
    Seine Reaktion ließ sie zusammenzucken – er tätschelte ihr die Hand. »Ich weiß. Und machen Sie keine Fehler, Julia, sonst werden Sie gefeuert. Wie ich sehe, scheint sich meine arme Frau zu langweilen. Da muß ich mich wohl aufmachen und sie retten.«
    Er stand auf und schritt davon, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen. Eine der anwesenden Frauen trat an Julia heran und setzte sich neben sie. Ihr Ehemann hatte während des Essens an Julias linker Seite gesessen. Sie war um die Vierzig, war perfekt gekleidet, aber ihre makellose Haut wies nicht ein einziges Lachfältchen auf. »Ich habe gehört, daß Sie für William arbeiten werden«, begann sie. »Wie schön für Sie.«
    »Ja«, stimmte Julia zu, »sehr schön. Wenn ich bei dem Tempo mithalten kann.«
    Wie lange dies alles her ist, dachte Julia, während sie sich zur Landung anschnallte.
    Fünf Jahre waren vergangen, seit die naive Lokalreporterin dem großen Mann gegenübergetreten war und den Entschluß gefaßt hatte, sich ihm gegenüber zu behaupten. Heute kannte sie Westerns Methode. Es machte ihm Spaß, andere auf die Probe zu stellen. Wenn jemand seinen Ansprüchen nicht genügte, hatte er keine Verwendung für ihn. Sie erinnerte sich, wie sie zwei Nächte lang – bewaffnet mit verschiedenen Nachschlagewerken und dem Hansard – über dem Artikel gebrütet hatte, den sie über Leo Derwent schreiben sollte. Wie oft hatte sie ihren Text verworfen und wieder ganz von vorne angefangen. Über das fertige Werk hatte Western kein Wort verloren. Sie wußte noch, wie sie im Bad gesessen und geweint hatte, weil sie überzeugt war, den Job doch nicht bekommen zu haben. Aber nach einer Woche war ein Brief bei ihr eingetroffen, der sie aufforderte, sich bei Harris zu melden. Langsam hatte sie sich an den Alltag in der Redaktion gewöhnt und sich bemüht, mit Harris zurechtzukommen.
    Am ersten Tag hatte sie sich selbst bei ihm vorgestellt. Sie war so nervös, daß sie ein wenig stammelte. Der Mann nahm seine dicke Hornbrille von der Nase und betrachtete sie uninteressiert.
    »Mr. Harris? Ich bin Julia Hamilton«, sagte sie. »Ich … em, ich soll hier anfangen …« Er kam ihr nicht zu Hilfe. Julia schätzte ihn auf Anfang Vierzig. Seine Haare ergrauten bereits, und er hatte eine unfreundliche Ausstrahlung.
    »Ja, ich weiß«, entgegnete er schließlich. »Ihr Platz ist dort drüben. Sie finden bestimmt alleine hin. Davis wird Ihnen sagen, was Sie tun können.« Dann setzte er wieder seine Brille auf und vertiefte sich in seine Lektüre. Julia bemerkte nicht, daß er sie verstohlen beobachtete, während sie sich umdrehte und versuchte, sich an Computern und Bildschirmen vorbei bis zu dem angewiesenen Platz vorzukämpfen. Er sah zu, wie Davis, dessen Arbeitsplatz sich direkt neben ihrem befand, aufstand und ihr die Hand gab. Davis würde nett zu ihr sein; Davis war immer nett zu Frauen – zu den Sekretärinnen, den Bürogehilfinnen, ja sogar zu der einen oder anderen Putzfrau, solange sie attraktiv war. Harris fragte sich, wie diese hübsche Rothaarige, deren Nervosität ihm nicht entgangen war, mit Davis fertig werden würde. Nicht, daß ihn dies sonderlich interessierte. Gleichmütig zuckte er mit den Schultern. Von Zeit zu Zeit lud ihm der Alte gerne diese angeblichen

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