Die Entlarvung
Rolle. Engagieren Sie so viele Mitarbeiter, wie Sie wollen. Fahren Sie in der Weltgeschichte umher tun Sie, was immer Sie für nötig halten. Nur liefern Sie mir den Kerl ans Messer.« Er starrte sie an. »Und dann nennen Sie mir Ihren Preis.«
Julia ging hinauf in ihr Gästezimmer. Es war doppelt so groß wie der Raum, den sie bei ihrem ersten Besuch vor fünf Jahren erhalten hatte, und bot eine fantastische Aussicht auf den See. Auch hier zeigte sich, wie sehr sie inzwischen in Westerns Wertschätzung gestiegen war.
Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Harold King. Die umstrittenste Persönlichkeit in der Öffentlichkeit. Ein Genie, ein Billionär, ein brutaler Konkurrent. Eine Machtfigur, die sich im Licht der Scheinwerfer sonnte.
Um seine Person rankten sich Gerüchte, die er zum Teil selbst in die Welt gesetzt hatte. Über einige davon sprach man nur im Flüsterton. Waffenhandel, Korruption, Devisengeschäfte im tiefsten Osteuropa.
Und Freunde in einflußreichen Positionen, die ihn beschützten. »Liefern Sie den Kerl ans Messer …«, hatte Western verlangt. »Und dann nennen Sie mir Ihren Preis!«
Er hatte nicht zuviel versprochen. Dies war der wichtigste Abend in ihrem Leben.
»Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe ein schlechtes Gewissen«, sagte Evelyn Western. »Sie ist immer noch recht unerfahren. Niemand sonst hätte diesen Job übernommen.«
»Deswegen habe ich sie ja ausgesucht«, meinte Western und kam aus seinem Ankleideraum. Er setzte sich zu seiner Frau auf den Bettrand und nahm ihre Hand.
»Evie, sie ist klug, ehrgeizig und entschlossen. Und mein Angebot habe ich ernst gemeint. Wenn sie die Sache zu meiner Zufriedenheit erledigt, mache ich sie zur Chefredakteurin des Herald. Außerdem ist sie als Frau recht gut geschützt. So schnell wird sie schon kein Mißtrauen erregen.«
»Für wie lange?« konterte Evelyn. »Wie lange wird es dauern, bis King merkt, daß sie ihm nachspürt? Und was wird dann aus ihr? Ich wünschte, ich hätte sie nicht noch ermuntert. Sie vertraut mir.«
Er drückte ihre Hand. Mit einemmal sah er sehr müde aus, beinahe wie erloschen.
»Du hast das Richtige getan«, versicherte er. »Ich muß King zerstören, bevor er mich zerstört. Und um ihn aufzuhalten, ist mir jedes – wirklich jedes – Mittel recht. Jetzt leg dich hin und nimm eine Schlaftablette. Ich möchte nicht, daß du dir weiter den Kopf zerbrichst. So, hier ist etwas Wasser, und nun schön schlucken …«
»Felix«, rief Julia und betrat die Wohnung. »Felix?« Ernüchtert stellte sie fest, daß er nicht zu Hause war. Warum konnte er jetzt nicht da sein und die aufregende Neuigkeit mit ihr teilen? Warum mußte er fortgehen und sich seinem dämlichen Squash widmen, wenn er wußte, daß sie um diese Zeit zurückkehren würde?
»Egoistischer Kerl«, stieß sie enttäuscht hervor. »Ich fahre jetzt nach Hause. Bilde dir nicht ein, daß ich den ganzen Nachmittag hier sitze und auf dich warte. Mal sehen, ob meine Familie mich zum Mittagessen einlädt.«
Ihre Eltern lebten in Hampton, Surrey. Ihr Vater war im Ruhestand. Julias Bruder hatte den Platz des Vaters in der Gemeinschaftskanzlei übernommen. Er arbeitete sehr erfolgreich und dachte daran, ein Büro in London zu eröffnen.
Er und seine Frau lebten mit ihren zwei kleinen Kindern ganz in der Nähe der Eltern. Sie alle verband ein enges Verhältnis. Die Großeltern waren gänzlich vernarrt in ihre Enkelkinder. Julia mußte zugeben, daß nur sie sich seit Beginn ihrer Karriere ein wenig aus den Familienbanden gelöst hatte.
Ihre Mutter nahm den Anruf entgegen. Ihre Stimme klang freudig überrascht, als Julia ankündigte, daß sie auf einen Besuch vorbeischauen würde.
»Was für eine nette Idee. Ich lasse den Braten langsamer schmoren. Wie lange wird es ungefähr dauern, bis du hier bist? Oh, mach dir keine Gedanken und fahr nur nicht zu schnell. Daddy wird sich so freuen, dich zu sehen.«
Die Worte waren warm und herzlich. Genau, was Julia jetzt gebrauchen konnte. Und sie würde ihre Eltern für sich haben. Bruder Tom und seine Familie belegten die beiden heute einmal nicht mit Beschlag. So würde sie in Ruhe von ihrem neuen Job berichten können. Die Eltern hielten zwar nicht allzu viel von Journalismus und hätten es lieber gesehen, wenn ihre Tochter eine gute Partie gemacht hätte, aber sie hatten Julia immer unterstützt.
Mochte Felix ruhig zur Abwechslung in eine leere Wohnung zurückkehren. Sie stieg in ihren Wagen und
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