Die Entscheidung
das klingelte, schien keine Nummer des Anrufers auf – doch das war schließlich nichts Ungewöhnliches. Er drückte auf die Sprechtaste. »Hallo«, sagte er einmal, und dann noch einmal, weil der Anrufer schwieg.
»Guten Tag, Professor, wie geht es Ihnen?«, meldete sich schließlich eine etwas bedrohlich klingende Stimme.
Cameron sprang von seinem Sessel auf; seine Nackenhaare richteten sich auf, als er diese Stimme hörte. Er wusste augenblicklich, wer der Anrufer war; er hatte diese Stimme schon in Deutschland gehört. In dem Bemühen, möglichst gelassen zu klingen, antwortete Cameron: »Äh … gut. Und Ihnen?«
»Ich würde sagen, es geht mir sehr gut«, sagte Rapp und schwieg, um die Spannung ansteigen zu lassen.
Cameron ging zum Fenster und blickte auf die Straße hinunter, um zu überprüfen, ob ihn jemand beobachtete. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er sich nicht auf diese Möglichkeit vorbereitet hatte. »Es tut mir Leid, aber könnten Sie mir vielleicht sagen, wer da spricht?« Er wusste, dass er nicht besonders überzeugend klang.
»Oh, ich glaube, das wissen Sie genau«, antwortete Rapp mit ruhiger Stimme.
»Nein … ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Ach, kommen Sie, Professor. Wir haben doch gemeinsame Freunde – oder sollte ich vielleicht sagen, wir hatten gemeinsame Freunde?«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Die Jansens aus Evergreen, Colorado, oder sollte ich sagen, die Hoffmans aus Deutschland?«
Cameron zitterte am ganzen Leib. Wie, zum Teufel, hatte Rapp ihn bloß gefunden? Er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, brachte er schließlich hervor.
»Oh, ich glaube, das wissen Sie sehr gut.«
»Wer spricht da?«
»Ich habe es Ihnen schon gesagt … ein alter Freund der Jansens. Außerdem glaube ich, dass wir uns einmal fast im Wald begegnet wären.«
Cameron fasste sich nervös an die Stirn. Wie um alles in der Welt konnte Rapp wissen, dass er in jener Nacht im Wald war? Das hatte er nicht einmal den Jansens gesagt. »Hören Sie zu, ich weiß nicht, wer Sie sind und wovon Sie sprechen.«
»Warum hören Sie nicht einfach mit diesen Spielchen auf, Professor? Wir müssen über etwas verhandeln.«
»Verhandeln?«, fragte Cameron verwirrt. »Worüber denn?«
»Über Ihr Leben.«
»Mein Leben ?«, brachte Cameron mit zittriger Stimme hervor. »Wovon, zum Teufel, sprechen Sie überhaupt?«
»Hören Sie auf mit dem Unsinn«, erwiderte Rapp etwas schärfer. »Ich werde Sie in einer Stunde noch einmal anrufen. Bis dahin würde ich vorschlagen, dass Sie sich beruhigen und ein wenig nachdenken. Mein Angebot ist ziemlich einfach. Sie sagen mir, was ich wissen will – vor allem, wer Ihr Auftraggeber ist –, und ich lasse Sie leben.« Rapp hielt inne, um Cameron Zeit zum Nachdenken zu geben, ehe er hinzufügte: »Wenn Sie aber versuchen sollten, mich reinzulegen, dann mache ich mit Ihnen, was Sie mit den Jansens gemacht haben – nur dass ich viel näher herankommen werde als Sie. Ich verspreche Ihnen – das Letzte, was Sie spüren werden, bevor Sie sterben, wird mein warmer Atem im Nacken sein.«
Im nächsten Augenblick war die Verbindung unterbrochen. Cameron stand zitternd mitten in seinem Büro und starrte sein Handy an. »Wie hat er mich nur gefunden?« Cameron verspürte den Drang, weit wegzulaufen. Er musste hinaus aus der Enge des Büros. Er steckte das Handy ein, schnappte sich seinen Laptop und verließ das Büro. Was er jetzt brauchte, war ein sicherer Ort – ein Ort, an dem er in Ruhe über alles nachdenken konnte. Vor allem musste er sich überlegen, wie viel er Clark erzählen sollte.
30
Es war bereits mehr als eine Stunde verstrichen. Siebenundachtzig Minuten, um genau zu sein. Rapp ging frustriert von Dumonds Küche durch das Esszimmer und weiter ins Wohnzimmer, wo er aus dem Fenster blickte. Rapps neue Gefährtin Shirley kam an seine Seite gelaufen und stupste ihn am Bein, worauf Rapp ihren Kopf kraulte. Kevin Hackett und Dan Stroble, zwei von Colemans Männern, sollten jeden Moment eintreffen. Es war Colemans Idee gewesen, Verstärkung zu holen – und Rapp hatte nichts dagegen, wenngleich er sich mit seiner 9-mm-Beretta absolut sicher fühlte. Falls jemand verrückt genug sein sollte, sie anzugreifen, würden die Betreffenden große Verluste hinnehmen müssen.
Rapp warf einen Blick auf die Uhr – es war zwanzig nach vier. Es hatte wieder leicht zu regnen begonnen. Rapp
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