Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
das Erlebte zu verarbeiten?«, fragte Sora. Eigentlich interessierte sie sich mehr dafür, ob es eine Zeit vor der Zeit gegeben haben konnte. Eine Zeit vor ihrem ersten Leben. Konnte es davor noch etwas gegeben haben? Sie konnte sich nicht an ihre frühe Kindheit erinnern. Das hatte sie überrascht festgestellt, als Archimedes sie danach gefragt hatte. Und dann all diese seltsamen Träume, die wie ein Märchen waren, aber ihr dennoch so seltsam real vorkamen... Fabeltiere, andere Welten, Nebelreisen und Rheas Grabinschrift. Magie? War Rhea tatsächlich eine Magierin gewesen? Archimedes schloss es jedenfalls nicht aus. Der Wissenschaftler, schloss niemals etwas aus, bevor nicht eine der vielen möglichen Theorien bewiesen waren. Sapfo sah Sora nachdenklich an.
»Das ist durchaus möglich«, antwortete sie. »Traumatische Erlebnisse verändern das Leben. Sie können schwere Störungen hinterlassen oder im besten Fall lediglich kurzfristig verwirren. Das Gefühlschaos, das sie hinterlassen können, kann zu unterschiedlichsten Zeitpunkten ans Tageslicht treten. Bekommt man keine professionelle Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten, kann es passieren, dass man es in sich einschließt und manchmal sogar gänzlich vergräbt, bis man soweit ist, den Ängsten entgegenzutreten. Viele Menschen erlangen niemals dieses Vertrauen in sich selbst. Manche Erlebnisse sind ein fach zu ungeheuerlich , um ertragen zu werden.« Sie zuckte mit den Schultern. »In meinen Gesprächen mit dir konnte ich keinen Bedarf an psychologischer Hilfe erkennen. Meiner Meinung nach hattest du dein Trauma, hier bei uns gelandet zu sein, recht schnell überwunden. Trotzdem ist es natürlich möglich, dass sich einiges aufgestaut hat, dass jetzt, da du dich hier gut eingelebt hast, bearbeitet werden will. Wenn du möchtest, helfe ich dir gerne dabei«, bot Sapfo sich hilfsbereit an.
Sora nickte geistesabwesend. Ihren langen Schlaf hatte sie gut überwunden, da war sie sich ziemlich sicher. Selbstverständlich war es ein entsetzlicher Schock gewesen festzustellen, dass sie sich plötzlich 13.000 Jahre in der Zukunft befand und die Welt, wie sie sie kannte, nicht mehr existierte, aber jetzt beschäftigte sie etwas ganz anderes.
Konnte es das sein? War es möglich, dass sie jetzt bereit war? Bereit etwas entgegenzutreten, das sich tief in ihrem Unterbewusstsein verschanzt hatte? Gab es da ein unbearbeitetes, traumatisches Erlebnis in ihrer frühen Kindheit, das nun nach außen drängte?
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Sora. »Danke für dein Angebot, Sapfo. Ich glaube ich werde jetzt nach Hause gehen und mich ausruhen. Ich brauche etwas Zeit für mich.« Sapfo nickte.
»Selbstverständlich. Ruf mich an, wenn du es dir überlegt hast.« Sie lächelte Sora vertrauensvoll zu. »Ich muss auch los«, sagte sie mit einem kecken Gesichtsausdruck.
»Galenus hat mich zum Essen eingeladen!«
»Nein! Tatsächlich? Ich dachte schon, er wäre mit dem Institut verheiratet. Für ihn gibt es doch nur die Arbeit!« Sora war wirklich überrascht. »Viel Spaß, kann ich da nur sagen!«, wünschte Sora von Herzen.
Während die zwei Frauen gen Ausgang schlenderten, diskutierten sie angeregt Galenus Vorzüge und Unarten. Plötzlich wurde Sora von hinten angerempelt.
»Oh, entschuldige bitte«, säuselte Anaximedes mit seinem üblichen, gehässigen Gesichtsausdruck, den er seit der Verhandlung vor zwei Jahren für Sora reserviert hatte. Sie seufzte und wandte sich genervt ab. Diesen fast täglichen zufälligen kleinen Treffen , begegnete sie immer mit Nichtachtung. Sora wusste, dass Anaximedes nach einem Vorwand suchte, das Amulett noch einmal untersuchen zu dürfen. Leider benötigte er dafür glaubhafte Gründe und Argumente bezüglich neuer Erkenntnisse, die ihm bislang verwehrt geblieben waren.
Einem plötzlichen Impuls folgend, drehte sich Sora in der Eingangstür noch einmal nach Anaximedes um. Er lehnte nun an einem Pfeiler und holte etwas unter seinem Mantel hervor, das verdächtig einem Messgerät glich. Entsetzt sah Sora, wie Anaximedes völlig entgeistert auf das Gerät schaute und dann so schnell ihn seine kurzen Beine trugen in ihre Richtung rannte. Sora handelte instinktiv. Sie zog Sapfo hastig zur Seite.
»Sapfo, hilf mir! Anaximedes! Lenk ihn ab!« Ohne Sapfos Antwort abzuwarten, rannte sie hinaus in den strömenden Regen. Ein Meer von bunten Menschen mit Regenschirmen zog Sora Sekunden später mit sich fort. Eine undurchsichtige Menschenmenge,
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