Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
langen Weg hierher, war sie leider zu dem Schluss gekommen, dass sie keine Chance haben würde. Sie konnte sich nirgends wirklich verstecken. Euripides war zwar sehr groß und verfügte über unendlich weite Flächen unberührter Wildnis, aber da gab es die Spürhunde . Eine Kaste eigens dafür geschaffen, Menschen oder Dinge aufzuspüren. Sie fanden einfach alles. Ihre rüsselähnlichen Nasen verfügten über einen extrem ausgeprägten Geruchs-und Spürsinn. Sie konnte auf Dauer nicht entkommen. Abgesehen davon würde sie Nahrung brauchen und ein Dach über dem Kopf. Und was wäre das für ein Leben? Einsam und ständig auf der Flucht? Jetzt wäre wirklich ein Zeitpunkt für etwas Hilfe, dachte Sora und schüttelte seufzend den Kopf. Falls sie tatsächlich die Reisende war, war jetzt der Moment gekommen, an dem ihr Idun den Weg zeigen sollte. Die Zeit lief ihr davon. Sie war überzeugt davon, dass halb Euripides sie bald suchen würde. Vielleicht war es ja auch das Beste? Vielleicht konnten Anaximedes und sein Team herausbekommen, was mit ihr geschah? Womöglich brauchte sie die Wissenschaftler, um durch den Nebel zu gehen.
Sie verdrehte die Augen. Was fantasierte sie da eigentlich zusammen. Glaubte sie wirklich, da war etwas Wahres dran? Konnte sie, Sora, die Auserwählte sein? Diejenige, die den Kampf gegen das Böse aufnehmen sollte? Das war doch absurd! Ihr Blick fiel auf eine Runenzeile in Rheas Grabinschrift:
Du zweifelst an deiner Bestimmung, doch Idun wird dich überzeugen und dich leiten.
»Na, dann leite mich mal«, murmelte Sora mit einem leicht ironischen Unterton. Sie streckte die Hand aus und berührte den nassen Grabstein. Genau wie am Tag zuvor, traten blutrote Runen hervor. Die Frage, die dem Orakel vorangegangen war, leuchtete ihr entgegen und warf einen rötlichen Schimmer über ihre Hände.
Wie lassen sich die Tore zwischen den Welten wieder öffnen.
Rhea lachte und winkte Sora entgegen. Plötzlich verwandelte Rhea sich in diese junge blonde Frau mit dem Korb voller Wildäpfel. Idun nickte ihr lachend zu und zeigte mit dem Finger direkt hinter Sora. Sora wandte sich um. Nebel umgab die Grabhügel des Grabfeldes, als würde sie sich auf einer von vielen kleinen, grünen Inseln befinden, inmitten eines Nebelmeeres, aus dem riesige, zapfenförmige Pfeiler emporragten. Idun lachte und nickte ihr zu.
»Du musst durch den Nebel gehen. Vertraue mir...« Dann war sie plötzlich verschwunden und Sora fand sich allein auf Rheas Grab wieder. Sie sah sich um. Die Dämmerung hatte eingesetzt, aber von Nebel keine Spur. Und nun? Erschöpft vom langen Arbeitstag, von ihrer Flucht quer durch Alexandria und ihrem langen Fußmarsch durch die Wildnis, ließ sie sich am Grabstein hinunter gleiten. Sie lehnte sich an und schloss die Augen.
»Wie soll ich durch den Nebel gehen, wenn hier keiner ist?«, flüsterte sie leise. Ich werde mich etwas ausruhen und dann nach Hause gehen, beschloss Sora. Sie atmete tief durch und schlief ein. Sie schlief einen tiefen, traumlosen Schlaf im Schatten des großen Grabsteins.
In den frühen Morgenstunden begannen Bilder in ihr zu tanzen. Ein schwarzer Pegasus, Herden von seltsamen Fabeltieren, der alte Mann mit dem kleinen Mädchen und Nebel. Nebel, der die Hügel des Grabfeldes umspielte. Grüne Inseln in einem Meer von weißem Nebel und eine Stimme: »Du musst durch den Nebel gehen. Vertraue mir... Jetzt!« Sora schlug die Augen auf und setzte sich abrupt auf. Sie fühlte sich steif und als sie sich aufrappelte, merkte sie, dass ihr linkes Bein eingeschlafen war, taub und schwer. Es piekte und kribbelte unangenehm, als langsam das Leben in ihr Bein zurückkehrte. Unsicher trat sie ein paar Schritte vorwärts und blickte sich um. Träumte sie?
Kleine, grüne Grabhügelinseln waren im Morgengrauen zu sehen. Sie badeten friedvoll in einem Meer von weißem Nebel. Die großen, weißen Pilze wuchsen gespenstisch aus dem Nichts empor. Fasziniert starrte Sora über das Grabfeld. War dies Traum oder Wirklichkeit?
Plötzlich drangen Stimmen zu ihr hinüber. Durch den dichten Nebel seltsam erstickt, erkannte sie sie nicht sofort. Doch dann tauchte Archimedes Kopf aus dem Nebel auf und gleich neben ihm der von Sapfo und etwa sechs bis sieben Köpfe von Spürhunden. Sie war umzingelt.
»Anaximedes hat eine einstweilige Verfügung bewirkt«, sagte Archimedes. »Auf mein Bitten hin durften Sapfo und ich die Spürhunde auf der Suche begleiten.« Archimedes sah sie eindringlich an.
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