Die Erben der Nacht 04 Dracas
Leopold in Alisas Gedanken ein. Halte dich da raus. Du machst es nur noch schlimmer. Wir können auf Ivys Erfahrung vertrauen.
Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gedacht, da war der Kampf vorüber. Karl Philipp erwischte Ivy an der Schläfe. Die Schneide seines Degens fuhr vom linken Ohr über ihren Hals bis in die Schulter. Kein Laut kam über Ivys Lippen, als sie zurücksprang und den Degen sinken ließ. Seymour jaulte, wurde aber noch immer von der Fechtmeisterin in Schach gehalten. Karl Philipp hob den Degen ein weiteres Mal. Franz Leopold hechtete nach vorn und schlug ihm auf den Arm, dass der Degengriff den Fingern entglitt. Klirrend schlitterte die Waffe über den Boden.
»Es ist genug!«, zischte er.
Alisa und Luciano stürzten zu Ivy, die mit zitternden Händen dastand. Ihre Miene war beherrscht, doch die beiden konnten sich lebhaft vorstellen, was gerade in ihr vorging.
»Lass mal sehen. Das ist ganz schön tief«, stellte Alisa fest. Sie hörte selbst, wie ihr der Versuch, ihre Stimme kühl und ungerührt klingen zu lassen, misslang.
Ivy versuchte sich an einer lässigen Handbewegung. »Nichts, was nicht in ein paar Tagen heilen würde.«
»Gehen wir!« Alisa warf den Fechtlehrern noch einen Blick zu. Ja, die Stunde war beendet. Sie schob die bebende Ivy zur Tür.
Erst einmal hatte Alisa die Lycana derart fassungslos erlebt, als Franz Leopold ihr im ersten Akademiejahr in Rom eine Haarsträhne abgeschnitten hatte. Und so war Alisa auch klar, dass es nicht die Schmerzen der Wunde waren, die Ivy so aus dem Gleichgewicht brachten. Nein, der Schmerz würde vergehen und die Wunde heilen. Sehr schnell heilen! Und genau das war das Problem.
Die Sonne war kaum untergegangen, da stürmte Luciano in die Schlafkammer der beiden Vampirinnen. Franz Leopold folgte kaum später in gesitteterem Tempo, trat aber ebenfalls ein, ohne die Antwort auf sein Klopfen abzuwarten. Alisa rügte die beiden Vampire, dass sich das nicht schickte, doch diese winkten ab.
»Für so einen Kram ist jetzt keine Zeit. Wie geht es ihr?«
Alle Augen richteten sich auf Ivy, die mit kläglicher Miene auf ihrem Bett saß.
»Ganz wunderbar«, sagte sie verzweifelt. »Nicht der kleinste Kratzer mehr zu sehen.« Sie schob die Rüschen ihres Nachtgewands zur Seite und zeigte ihren unversehrten Hals und die Schulter, in der vergangene Nacht noch eine tiefe Wunde geklafft hatte.
»Es war nicht anders zu erwarten«, meinte Franz Leopold.
»Ja, ich weiß, aber so kann ich mich heute nicht im Unterricht blicken lassen.«
Alisa kniete sich vor ihrer Kleidertruhe nieder und durchwühlte die Gewänder. »Wir brauchen etwas, das deine Schulter bedeckt und möglichst eine Rüsche bis zum Ohr hat.«
»Und das lässt sie dann auch beim Fechten an?« Franz Leopold schüttelte den Kopf. »Das wird als Tarnung nicht genügen.
»Nein, Leo hat recht. Wir müssen es richtig machen, wenn wir mein Geheimnis weiterhin wahren wollen.«
Luciano stöhnte auf, als Ivy ein kleines, scharfes Messer aus einer Schublade des Nachtschränkchens nahm.
»Würde einer von euch mir bitte behilflich sein? Ich komme da so schlecht ran.« Ivy ließ den Blick schweifen. Luciano wich entsetzt zurück und auch Alisa schluckte trocken und verschränkte die Hände auf dem Rücken.
»Leo?«
Der Dracas trat vor und griff forsch nach dem Messer.
»Hast du dir den Verlauf des Schnittes gemerkt?«
Franz Leopold nickte mit grimmiger Miene.
»Du darfst auf keinen Fall so tief schneiden«, rief Alisa. »Es muss aussehen wie bei einem von uns, wenn so eine Wunde einen Tag lang Zeit hatte, zu heilen.«
Franz Leopold hielt ihr das Messer hin. »Willst du es lieber machen?«
Alisa verneinte.
»Das Problem ist nicht die Tiefe des Schnitts«, sagte Ivy. »Egal, wie tief Leo schneidet, es wird eine frische Wunde sein und keine, die bereits angefangen hat zu verkrusten.« Betroffen sahen sich die vier an.
»Aber wie dann?«, fragte Luciano.
Ivy hob hilflos die Schultern. »Mir fällt auch keine andere Lösung ein.« Sie straffte sich. »Leo, fang an!«
Der Dracas setzte die Klinge an und fuhr ohne Druck einmal der Linie nach, wie er die Verletzung in Erinnerung hatte. Dann setzte er den Schnitt. Präzise, ohne zu zögern. Ivy zuckte nicht einmal. Nur die Haut über ihren Fingerknöcheln, die sie in Seymours Fell vergraben hatte, spannte sich für einen Augenblick. Alisa trat näher und begutachtete den Schnitt.
»Und, bist du mit meinem Werk zufrieden, Teuerste?«
Alisa
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