Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
schien es auch nicht verlassen. Es wirkte zu sauber. Auf den Treppenstufen war nur an den Rändern ein Hauch von Staub zu sehen. Einige Türen standen offen, auf den schweren Kommoden und Truhen lagen Gegenstände, als hätten irgendwelche Hände sie eben dort abgelegt. Und über all dem schwebte diese drückende Wolke von Gefahr. Der Ingenieur schob sich gerade an eine der Truhen heran, um den Umhang, der dort lag, aufzuheben, als sein Kamerad einen gellenden Schrei ausstieß. Franz Andreas fuhr herum.
    »Da! Da war etwas Großes, Helles, ein riesiges Tier. Ich weiß nicht genau. Es ging so schnell«, stotterte er und bewegte sich rückwärts wieder auf die Tür zu. Ein Knurren hallte von den Wänden wider. Es schien von allen Seiten zu kommen. Franz Andreas nahm sich nicht die Zeit, die Quelle des unheimlichen Geräuschs zu ermitteln. Er stürzte an seinem Kameraden vorbei zur Tür und ins Freie. Der Architekt überlegte nicht lange und folgte ihm. Er schlug das Portal hinter sich zu und rannte dann hinter Franz Andreas her, bis sie die Brücke bei St. Annen erreichten. Keuchend blieben die beiden Männer stehen und lehnten sich über das Eisengeländer. Ihre Pläne hatten sie bei der wilden Flucht verloren. Die Papierrollen lagen irgendwo im Schutt. Sie sahen sich nicht an. Es war ihnen beiden peinlich. Was war nur in sie gefahren? Und doch konnte keiner von ihnen sich durchringen, auch nur einen Schritt zurückzugehen und nach den verlorenen Plänen zu suchen.
    »Es sind nur Kopien«, sagte Franz Andreas schließlich und straffte den Rücken. »Gehen wir zurück. Es gibt viel Arbeit. Ich denke, es ist Aufgabe des Senats, sich um den Abriss dieser Häuser zu kümmern. Wenn sie die Angelegenheit geklärt haben, können die Mauern f allen.«

    Als Ivy den Deckel ihres Sarges öffnete, wusste sie bereits, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen war. Seymours drängende Gedanken waren durch das Holz bis in ihren Schlaf gedrungen. Sie sah den Wolf an, der scheinbar ruhig, doch innerlich aufgewühlt vor ihr saß. Ivy sprang aus dem Sarg und ließ den Deckel zufallen.
    Was ist geschehen?, fragte sie in Gedanken. Rund herum erhoben sich die anderen Erben. Manche kletterten bereits in dem Augenblick aus ihren Särgen, da der letzte Sonnenstrahl verlosch, andere ließen sich Zeit, bis sie den Deckel hoben und sich gähnend aus den mit weißem Satin oder dunklem Samt ausgekleideten Kisten schälten.
    Menschen sind ins Haus eingedrungen!
    »Was? Wie kann das sein?«, rief Ivy laut und erregte damit die Aufmerksamkeit von Alisa und Franz Leopold. Neugierig kamen sie näher.
    Ivy senkte die Stimme. »Seymour sagt, es seien über den Tag Menschen ins Haus eingedrungen.«
    Alisa war entsetzt. »Wie ist das möglich? So etwas ist noch nie vorgekommen!«
    »Habt ihr denn keinen Schutz um eure Häuser gezogen?«, wollte Franz Leopold wissen.
    »Natürlich!«, fauchte sie. »Für wie einfältig hältst du uns? Man muss immer mit der Neugier der Menschen rechnen.«
    »Nun, dann seid ihr entweder zu nachlässig vorgegangen, oder ihr seid einfach nicht gut genug, einen wirksamen Schutz aufzubauen.«
    Alisa brauste auf, aber sie wusste nichts zu entgegnen. Jede der möglichen Erklärungen warf ein schlechtes Licht auf die Vamalia. Man musste in der Lage sein, sein Haus vor Eindringlingen zu schützen! So folgte sie den beiden schweigend in die Halle hinunter. Ivy, die spürte, was in Alisa vorging, drückte ihr tröstend die Hand. »Lass uns erst einmal sehen, wie schlimm es wirklich ist.« Sie zwang sich, ihrer Stimme einen beruhigenden Klang zu geben und sich nichts von den Befürchtungen anmerken zu lassen, die in ihr aufstiegen. Waren sie wieder hinter ihnen her? Waren die Erben in Irland entkommen, nur um hier in Hamburg den Kampf wieder aufnehmen zu müssen? Vier ihrer Verfolger waren vernichtet. Die Vampirin,
die sich Tonka nannte, jedoch entkommen. Und was war mit der anderen Vampirin, die den cloch adhair im Lough Corrib versenkt hatte? Wem hatte sie zu schaden versucht. Den Lycana? Den Erben aller Clans? Ivy?
    Eine Ahnung lauerte am Rande ihres Bewusstseins, wollte sich aber nicht greifen lassen. Ivy betrachtete den Echsenring an ihrem Finger. War es der Schatten, dessen Blick sie manchmal wie Feuer auf der Haut zu spüren glaubte? Wenn ja, was wollte er von ihr? Folgte er ihr noch immer, und waren es seine Helfer, denen sie in Irland begegnet waren? Sosehr sie auch grübelte, sie war der Antwort noch nicht näher

Weitere Kostenlose Bücher