Die Erben der Nacht - Pyras
Reaktion nach, während sie den Deckel aufklappte und sich aus dem Sarg schwang. Sie war wie üblich ein wenig früher als die anderen dran und genoss den Augenblick der Stille um sich, die nur durch das Rascheln der vielen Ratten gestört wurde, die hier unterwegs waren. Seymour schlug unwillig mit dem Schwanz auf den Boden. Ivy hatte
ihm verboten, sich über Tag, während die Vampire schliefen, an den Ratten zu vergreifen. Nicht dass er besonders viel von Ratten hielt. Da gab es Beute, die er lieber mochte. Doch zum Zeitvertreib oder wenn nichts anderes zu finden war, nahm er sich durchaus auch der Nager an.
»Was meinst du?«, fragte Ivy, den Blick auf Seigneur Luciens Sarg gerichtet.
Er ist nicht erfreut, euch alle hierzuhaben , teilte der Wolf Ivy mit.
»Weil wir so überraschend aufgetaucht sind?«
Nein, von seiner Überraschung hat er sich längst erholt, und eigentlich waren die Pyras begierig darauf, die Erben in Paris zu haben. Nun aber ist es ihm gar nicht recht.
»Das ist mir auch aufgefallen. Ich habe mich gefragt, was mit ihm los ist, wollte aber nicht in seine Gedanken eindringen. Es macht keinen guten Eindruck, wenn man sich als Gast so bei einem fremden Clan einführt.«
Seymour ließ ein kurzes Bellen hören. Dann bist du rücksichtsvoller als der Dracas. Er hatte durchaus keine Hemmungen, den Pyras auszuforschen und seine Erkenntnisse mit Alisa zu teilen. Ein Wunder, dass er nicht erwischt wurde. Die Pyras quälen augenblicklich eben andere Sorgen.
Ivy versuchte, den Stich, den sie fühlte, zu ignorieren. Warum hätte er zuerst mit ihr darüber sprechen sollen?
Zum Glück begannen sich nun die Servienten und jungen Pyras zu erheben und die ersten Särge klappten auf. Die Pyras und ihre Gäste musterten einander. Sie standen in kleinen Gruppen beisammen, als wäre es zu leichtsinnig, sich alleine unter die Fremden zu mischen. Hindrik baute sich hinter Alisa und Tammo auf, so als wolle er den wilden Gastgebern signalisieren, dass sie mit ihm zu rechnen hätten, wollten sie sich etwa an seinen Schützlingen vergreifen. Marieke wich nicht von Sörens Seite. Ivy sah, wie einige ältere Pyras die Reißzähne entblößten und in ihre Richtung starrten. Ein tiefes Knurren entwich einer Kehle.
Täusche ich mich oder haben sie vor allem gegenüber den Vamalia Vorbehalte? Ich frage mich, warum. Weil sie es nicht geschafft haben, den Erben ausreichend Schutz zu gewähren, obwohl sie sogar zu unlauteren
Mitteln gegriffen haben, um die Akademie nach Hamburg statt nach Paris zu bringen?
»Woher weißt du das? In wessen Gedanken hast du gelesen?«
Dame Elina, der die Ehre zuteil wurde, das Los zu ziehen, bemerkte, dass es ein wenig schmuddeliger war als die anderen. Sie legte es rasch wieder zurück, um ein anderes - ihr eigenes, das sie wohl erkannte - zu ziehen.
»Ich glaube nicht, dass die Pyras das wissen. Diese Feindseligkeit richtet sich gegen die Vamalia als deutschen Clan.« Ivy seufzte. »Es ist ein wenig wie bei uns und den Engländern. Es wurde so viel Blut vergossen und Hass geschürt, dass selbst wir Vampire uns nicht von der Atmosphäre gegenseitiger Feindschaft lösen können, die unsere Länder fest im Griff zu haben scheint.«
Alisa und Luciano traten zu ihnen und Ivy verstummte.
»Es ist seltsam hier«, sagte Luciano. »Seltsam, aber spannend.«
»Ja, ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es jetzt weitergeht«, ergänzte Alisa.
»Hat einer von euch heute Abend den Herrn Clanführer schon gesehen?«, mischte sich Franz Leopold ein. »Er sollte sich besser zeigen und seine Wilden zur Ordnung rufen, ehe es hier zu Blutvergießen kommt.«
»Du übertreibst wie immer«, wehrte Alisa ab, doch Ivys Blick huschte mit Besorgnis über die verschiedenen Gruppen, zwischen denen zum Teil harsche Worte fielen. Die Servienten der Dracas schienen kurz davor, von einigen Pyras angegriffen zu werden. So wie Ivy die Situation einschätzte, hatten Karl Philipp und Anna Christina die Gastgeber beleidigt, und nun versuchten ihre Servienten, sie vor deren Zorn zu schützen.
»Es mangelte ihnen schon immer ein wenig an Taktgefühl«, kommentierte Franz Leopold, der Ivys Blick gefolgt war und die Lage ähnlich einschätzte. »Sie wissen einfach nicht, wann es gesünder ist, den Mund zu halten.«
Ivy konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. »Aber du weißt es zum Glück!«
»Aber ja«, bestätigte Franz Leopold. »Ich wüsste auch viel über die Lebensweise dieser traurigen Karikatur eines
Weitere Kostenlose Bücher