Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Anscheinend machte Beaker seine Entscheidung von mir abhängig. Na toll. »Bleiben wir zusammen«, entschied ich schließlich, und so verließen auch wir den Weg.
So leise, wie es auf dem von Kiefernnadeln und Kies bedeckten Boden möglich war, huschten wir über den schattigen Kamm. Die Baumkronen über uns waren dicht geschlossen. Manchmal raschelte es im Unterholz, wenn wir Vögel oder kleine Tiere aufschreckten. Die Luft war schwer und erdig und roch fast wie Gebäck. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn.
Dann hörten wir fernes Gekreisch und Getrappel, als jemand durchs Unterholz brach, gefolgt von einem spitzen Schlachtruf. Offenbar hatten die Füchse ihre ersten Opfer gestellt. Ich spähte durch das dunkle Labyrinth der Stämme und fragte mich, wo Lilly wohl steckte.
In einer kleinen Senke mit kühlerer Luft schlossen Beaker und ich zu den anderen auf. Ein Bach plätscherte dort durch sein felsiges Bett, und daneben verlief ein von dickem Moos gesäumter Pfad.
»Und?«, flüsterte Noah.
Leech suchte das Bachufer ab.
»Wonach sucht ihr denn?«, fragte ich.
»Essensmarken natürlich«, murmelte Leech. »Hier sind immer welche versteckt.«
»Hier drüben!«, rief Beaker. Er kniete vor einem Felsen und schaute darunter.
Leech rannte zu ihm und stieß ihn aus dem Weg. Dann sammelte er die handgroßen Holzmünzen ein. Es waren fünf Stück, vier davon blau und eine schwarz. Jede war mit einer Zwanzig beschriftet.
»Warum ist die eine schwarz?«, wollte Beaker wissen.
»In dem Essen sind Umweltgifte drin«, erklärte Leech. »Uns kann das egal sein, aber wenn die Fleischfresser zu viele von den schwarzen erwischen, sterben sie dran. Hier, Beaky, du kriegst die giftige.« Noah und Xane gab er eine blaue, die anderen beiden steckte er ein.
Erst wollte ich ja nichts sagen, dann tat ich es aber doch. »Hey, was ist mit mir?«
»Du kriegst erst mal nichts, Mutantenkröte.« Er grinste mich herausfordernd an. »Okay, wieder den Hügel hoch …«
Da reichte es mir. Ich fühlte die Wut in mir aufsteigen. Als er an mir vorbeiwollte, stieß ich ihn an der Schulter. »Jetzt gib mir eine!«
Er grinste bloß. Grinste und lief einfach weiter.
Schlafentzug, würde ich mir später sagen. Der Schlafentzug musste mein Urteilsvermögen getrübt haben. Eine andere Erklärung gab es nicht für das, was ich nun tat. Denn ich ging einfach auf ihn los und stieß ihn mit beiden Händen in den Rücken. Der Stoß war heftiger als be absichtigt – vielleicht aber auch nicht. Leechs Kopf flog zurück, er stolperte und schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Als er sich umdrehte, hielt er sich die Nase. »Gah!« Dann nahm er die Hand weg: Er blutete.
»Mann!«, rief Xane.
»Wow«, flüsterte Beaker, als hätte ich gerade einen Zaubertrick vorgeführt.
»Tut mir leid«, murmelte ich, hasste mich aber so fort dafür. Es musste mir nicht leidtun! Tat es auch nicht. Auch wenn ich nicht gewollt hatte, dass ihm die Nase blutete.
»Bist du nicht mehr ganz richtig im Kopf?«, fuhr Noah mich an. Dann schaute er unsicher zu Leech, als wartete er auf weitere Anweisungen.
Leech studierte das Blut an seiner Hand. Dann schaute er auf. »Du willst wohl sterben, was? Willst du das?«
»Gib mir meine Marke«, sagte ich, und versuchte mir meine Angst, diese armselige, kindliche Angst, nicht anmerken zu lassen – doch ich selbst hatte gerade die Spielregeln geändert. Ich hatte so was noch nie gemacht. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Ich spürte das Adrenalin in meinen Fingerspitzen kribbeln.
Und dann sprang Leech auf die Beine und stürzte sich auf mich. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun, wie ich mich verteidigen sollte – ich streckte einfach die Arme aus, doch er schlug sie mühelos beiseite und traf mich an der Brust. Ich taumelte zurück. Dann packte er mich mit einer Hand und kratzte mir mit der anderen über den Hals. Hatte er es auf meine Kiemen abgesehen? Zum Glück hatte ich mich dick eingecremt, und seine Finger rutschten ab. Ich bekam sein T-Shirt zu fassen und schleuderte ihn beiseite, wobei ich ihm den Kragen zerriss.
Sein Gesicht war nun rot wie eine Rübe. Blut floss ihm aus der Nase über den Mund und spritzte ihm beim Reden über sein T-Shirt. »Jetzt ist es also so weit, was? Du glaubst wohl, deine große Stunde ist endlich gekommen?«
Ich spürte, dass auch ich einen hochroten Kopf hatte, und Brust und Hals taten mir weh. Doch was er sagte, verwirrte mich: Was glaubte er denn, dass ich vorhatte? Ging
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