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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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Labyrinth machte es ihm einfacher, sich jederzeit davonzustehlen. Er versuchte allerdings, sein Verschwinden zeitlich so zu gestalten, dass er keine ungewollte Aufmerksamkeit auf sich lenkte. In letzter Zeit hatte Kalan aber bemerkt, dass seine Niedergeschlagenheit immer öfter auftrat. Es ging nicht nur darum, dass er vom Leben der Burg ausgeschlossen war, obwohl ihn das zutiefst verärgerte, oder dass er des Tempellebens überdrüssig war. Bald ging sein siebtes Jahr als Novize zu Ende. Dann musste er den Eid des Eingeweihten ablegen. Danach gab es keinen Weg zurück.
    Bis vor Kurzem hatte Kalan die verzweifelte Hoffnung genährt, dass seine Macht ebenso plötzlich, wie sie gekommen war, auch wieder verging. Beharrlich und entschlossen hatte er weiterhin die Anfänge der Kriegerausbildung praktiziert und heimlich im Haus seines Vaters geübt. Doch je näher sein vierzehnter Geburtstag kam, umso mehr verzweifelte er. Er wusste, dass er trotz seiner eigenen Sehnsüchte an ein engstirniges, begrenztes und langweiliges Leben gebunden war. Er war sich nicht sicher, ob er das ertragen konnte.
    Aus Schwester Korriyas Unterricht wusste er, dass es vor ihm schon Tempelbewohner gegeben hatte, die glaubten, es nicht ertragen zu können. Einige hatten ihrem Leben ein Ende gesetzt, andere versuchten, dem Wall zu entfliehen. Es war aber nicht leicht, die alten Mächte vor anderen Derai zu verbergen. Die meisten Ausreißer wurden dem Tempel wieder zurückgebracht. Manche hatten ein » A « für abtrünnig auf der Stirn oder der Wange eingebrannt, um weitere Fluchtversuche zu verhindern.
    » Als ob sie Verbrecher wären « , reflektierte Kalan wütend. » Oder Sklaven. «
    Die Grafen des Blutes waren bekannt für ihre unerbittliche Verfolgung dieser Abtrünnigen. Kalan fragte sich, ob der Graf der Nacht ähnlich unnachgiebig war. Sogar im Tempelviertel war der jetzige Graf für seine Gerechtigkeit bekannt. Es gab aber einige unschöne Geschichten über seinen Vater, den Alten Grafen. Die Spaltung zwischen Priester und Krieger war in der Nacht tief verwurzelt. Kalan fand das merkwürdig, denn in der gesamten Geschichte der Derai hatte lediglich das Haus der Sterne mehr Helden mit der alten Macht hervorgebracht.
    Schwester Korriya hatte den Kopf geschüttelt, als er ihr diesen Gedanken mitteilte. » Merkwürdig « , wiederholte sie seinen Ausdruck. » Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Die Grenze zwischen Liebe und Hass kann sehr dünn sein, wie wir immer wieder im Laufe unserer Geschichte gesehen haben. «
    Kalan wusste nicht genau, was sie damit meinte und fragte sich immer noch, warum die Tempel so gefürchtet waren, wenn die meisten Kleriker doch nur geringe Macht besaßen. Früher waren in den Derai-Tempeln Weissager mit ihrer Begabung für Prophezeiungen untergebracht und Gedankensprecher, die über weite Entfernungen hinweg kommunizieren konnten. Außerdem hatte es auch solche wie Errianthar gegeben, deren Mächte es ihnen erlaubten, Gegenstände zu bewegen und Feuer durch ihre Gedankenkraft herbeizurufen. Solche Mächte waren schwer zu verbergen, insbesondere, wenn ihr Besitzer erschreckt oder bedroht wurde. Die Tempeltradition hielt aber daran fest, dass man mit Übung den natürlichen Instinkt unterdrücken konnte. Dennoch, es gab Geschichten … Kalan hatte gehört, dass es Wettergestalter in der Burg der See gab, die auf den Mauern als schlechtes Wetter auf und ab gingen und dabei ihre physische Gestalt in den Elementen auflösten. Derartiges Verhalten zog natürlich Aufmerksamkeit auf sich. Diejenigen mit weniger Macht könnten aber vielleicht unter anderen Derai unerkannt überleben.
    Kalan seufzte erneut und versuchte, es sich in seinem Versteck bequem zu machen. Es war wahrscheinlich ohnehin an der Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Weder er noch einer der anderen Priester würden etwas von dem Festmahl der Heimkehr sehen. Noch länger zwischen Wischlappen und Besen zu sitzen würde das auch nicht ändern. Vorsichtig erhob er sich und spähte in den Flur.
    Das Geräusch war leiser als ein Flüstern, doch Kalan blieb sofort stocksteif stehen. Dann hörte er es erneut. Es war der Hauch eines beinahe geräuschlosen Schritts oder das Entlangstreifen eines Umhangs an der Mauer. Dieses Heimliche ließ ihn einfrieren. Sein Herz schlug plötzlich einen Trommelwirbel. Vorsichtig zog Kalan sich in seinen Besenschrank zurück.
    Das Flüstern ertönte erneut und wurde dann unverkennbar zu Schritten. Sie kamen aus dem

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