Die Erde
schlimmste war, daß man gerade in diesem Augenblick, als der Abbé die neue Straße zu Macqueron hinabeilte, auf der Dorfstraße ein Wägelchen ankommen sah, in dem Frau Charles und Elodie saßen. Frau Charles erklärte, sie habe in Châteaudun die Fahrt unterbrochen, weil sie unbedingt die liebe Kleine küssen wollte, und man habe ihr erlaubt, sie für zwei Tage auf Ferien mitzunehmen. Sie war untröstlich über die Verspätung, sie war nicht einmal erst nach Roseblanche gefahren, um ihren Koffer abzuladen.
»Man muß dem Pfarrer nachlaufen«, sagte Lise. »Nur die Hunde werden nicht getauft.«
Geierkopf rannte los, und man hörte ihn nun im Galopp die Straße zu Macqueron hinabeilen. Aber Abbé Godard hatte einen Vorsprung; der Vater des Täuflings lief über die Brücke, den Abhang hinauf und erblickte ihn erst oben am Berg bei der Wegbiegung.
»Herr Pfarrer! Herr Pfarrer!«
Abbé Godard drehte sich schließlich um und wartete.
»Was denn?«
»Die Patin ist da ... Die Taufe kann man doch nicht verweigern!«
Einen Augenblick verharrte Abbé Godard reglos. Dann hastete er im selben rasenden Schritt wieder hinter dem Bauern den Abhang hinab; und so kamen sie zur Kirche zurück, ohne ein Wort gewechselt zu haben. Die heilige Handlung wurde hingepfuscht, der Priester haspelte das Credo60 der Patin und des Paten herunter, salbte das Kind, verabreichte ihm das Salz und goß ihm das Wasser in vollem Schwung über den Kopf. Schon ließ er im Kirchenbuch unterschreiben.
»Herr Pfarrer«, sagte Frau Charles, »ich habe eine Schachtel Konfekt für Sie mitgebracht, aber sie ist im Koffer.«
Er winkte dankend ab; er brach auf, nachdem er sich zu allen umgedreht und nochmals gesagt hatte:
»Und Gott befohlen für diesmal!«
Geierkopfs und ihre Gäste, die noch ganz außer Atem waren, weil er in einem solchen Tempo mit ihnen umgesprungen war, blickten ihm nach, wie er im schwarzen Flattern seiner Soutane um die Ecke des Platzes verschwand. Das ganze Dorf war auf den Feldern; nur drei Bengels waren da, die auf Bonbons scharf waren. Inmitten der großen Stille vernahm man das ferne Rattern der Dampfdreschmaschine, das nicht aufhörte.
Sobald man zu Geierkopfs zurückgekehrt war, vor deren Haustür noch das Wägelchen mit dem Koffer stand, kam man überein, schnell einen Schluck zu trinken, dann würde man abends zum Essen wiederkommen. Es war erst vier Uhr, was hätten sie miteinander anfangen sollen bis sieben?
Als dann die Gläser und die beiden Literflaschen auf dem Küchentisch standen, wollte Frau Charles unbedingt, daß man den Koffer ablade, damit sie ihre Geschenke überreichen könne. Sie öffnete den Koffer, zog das Taufkleid und das Häubchen heraus, die beide etwas spät kamen, und dann sechs Schachteln Konfekt, die sie der jungen Mutter gab.
»Kommt das aus Mamas Süßwarenladen?« fragte Elodie, die die Schachteln betrachtete.
Nur für eine Sekunde war Frau Charles verlegen. Dann sagte sie seelenruhig:
»Nein, mein Herzchen, diese Spezialität führt deine Mama nicht.« Und sich zu Lise umdrehend, fuhr sie fort: »Weißt du, ich habe auch wegen Wäsche an dich gedacht ... Nichts ist so gut in einem Haushalt zu verwenden wie alte Wäsche. Ich habe meine Tochter gefragt und die hintersten Ecken ihrer Schränke ausgeräumt ...«
Bei dem Wort Wäsche war die ganze Familie näher getreten. Françoise, die Große, die Delhommes, sogar Fouan; und im Kreise um den Koffer stehend, schauten sie zu, wie die alte Dame eine ganze Warenladung Lumpen auspackte, die weiß geworden waren vom vielen Waschen und trotz der scharfen Lauge einen anhaltenden Moschusgeruch ausströmten. Da waren zunächst zerfetzte Bettücher aus feinem Linnen, dann aufgeschlitzte Frauenhemden, von denen man offensichtlich die Spitzen abgerissen hatte.
Frau Charles faltete alles auseinander, schüttelte es und gab Erläuterungen:
»Freilich, die Bettücher sind nicht neu. Die sind nun gut und gerne fünf Jahre in Gebrauch, und mit der Zeit wird das abgenützt durch das Reiben des Körpers ... Ihr seht, sie haben ein großes Loch in der Mitte, aber die Ränder sind noch recht gut, man kann eine Menge Sachen daraus zuschneiden.«
Alle steckten die Nase hinein, und mit zustimmendem Kopfnicken befühlten sie alles, besonders die Frauen, die Große und Fanny, deren verkniffene Lippen ihren dumpfen Neid verrieten. Geierkopf mußte im stillen lachen über die derben Späße, die ihm einfielen, die er aber anstandshalber für sich behielt,
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