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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gelächter lief durch die Menge; Johlen, Pfeifen, Tierstimmen waren zu hören.
    »Er ist nicht bösartig, tut ihm nichts zuleide.«
    »Gehen Sie! Darauf würde ich mich nicht verlassen … Er steht nachts auf, um die Leute zu erwürgen.«
    »Tatsache ist, daß er gefährliche Augen hat.«
    »Das hat ihn also ganz plötzlich erfaßt?«
    »Ja, ganz plötzlich … Was sind wir Menschen denn schon! Ein Mann, der so sanft war! – Ich gehe weg; das tut mir weh … Hier sind drei Sous für die Kohlrüben.«
    Mouret hatte inmitten einer Gruppe von Frauen soeben Olympe erkannt. Sie hatte prächtige Pfirsiche gekauft, die sie in dem Handarbeitsbeutel einer feinen Dame trug. Sie mußte irgendeine ergreifende Geschichte erzählen, denn die Klatschbasen, die sie umringten, stießen unterdrückte Ausrufe aus, wobei sie jammernd die Hände falteten.
    »Dann«, so beschloß Olympe ihre Ausführungen, »hat er sie bei den Haaren gepackt und hätte ihr mit einem Rasiermesser, das auf der Kommode lag, die Kehle durchgeschnitten, wenn wir nicht rechtzeitig dazugekommen wären, um das Verbrechen zu verhindern … Sagen Sie nichts zu ihm, er würde ein Unglück anrichten.«
    »He? Was für ein Unglück?« fragte Mouret verstört Olympe.
    Die Frauen waren auseinandergegangen, Olympe schien auf der Hut zu sein; sie machte sich vorsichtig aus dem Staube und murmelte dabei:
    »Ärgern Sie sich nicht, Herr Mouret … Sie täten besser daran, wieder nach Hause zu gehen.«
    Mouret flüchtete sich in eine Gasse, die zum Cours Sauvaire führte. Die Schreie verdoppelten sich, einen Augenblick wurde er von dem tosenden Aufruhr des Marktes verfolgt.
    Was haben sie heute bloß? dachte er. Vielleicht machten sie sich über mich lustig; meinen Namen habe ich jedoch nicht gehört … Es wird irgendein Unglück geschehen sein.
    Er nahm seinen Hut ab, besah ihn, weil er fürchtete, irgendein Bengel habe ihn mit einer Handvoll Gips beworfen; er hatte auch keinen Papierdrachen noch einen Rattenschwanz am Rücken hängen. Diese Überprüfung beruhigte ihn. In der Stille der Gasse verfiel er wieder in den Schritt eines spazierengehenden Bürgers; ruhig trat er auf den Cours Sauvaire hinaus. Die kleinen Rentiers saßen an ihrem Platz auf einer Bank in der Sonne.
    »Sieh mal einer an! Das ist ja Mouret«, sagte der Hauptmann a.D. mit einer Miene tiefen Erstaunens.
    Die lebhafteste Neugierde malte sich auf den schläfrigen Gesichtern dieser Herren. Ohne sich zu erheben, machten sie einen langen Hals und ließen Mouret vor sich stehen; sie musterten ihn haargenau von Kopf bis Fuß.
    »Nun, machen Sie einen kleinen Spaziergang?« begann der Hauptmann wieder, der der Kühnste zu sein schien.
    »Ja, einen kleinen Spaziergang«, wiederholte Mouret zerstreut, »das Wetter ist sehr schön.«
    Die Herren tauschten ein verständnisinniges Lächeln. Sie froren, und der Himmel hatte sich eben bezogen.
    »Sehr schön«, murmelte der frühere Gerber, »Sie sind nicht sehr anspruchsvoll … Allerdings sind Sie schon wie im Winter angezogen. Sie haben einen komischen Gehrock an.«
    Das Lächeln verwandelte sich in höhnisches Grinsen.
    Mouret schien einen plötzlichen Einfall zu haben.
    »Sehen Sie doch mal nach«, bat er, sich jäh herumdrehend, »ob man mir nicht eine Sonne auf den Rücken gemalt hat.«
    Die Mandelhändler im Ruhestand vermochten nicht länger ernst zu bleiben, sie platzten los. Der Spaßvogel der Gesellschaft, der Hauptmann, zwinkerte mit den Augen.
    »Wo haben Sie denn eine Sonne?« fragte er. »Ich sehe nur zwei Halbmonde.«
    Die anderen prusteten vor Lachen, fanden das äußerst geistreich.
    »Zwei Halbmonde?« sagte Mouret. »Tun Sie mir bitte den Gefallen, und wischen Sie sie ab; ich habe deswegen schon Ärger gehabt.«
    Der Hauptmann klopfte ihm drei oder viermal auf den Rücken und fügte hinzu:
    »So, mein Bester! Nun sind Sie sie los. Das muß nicht gerade angenehm sein, hinten zwei Halbmonde zu haben … Sie sehen leidend aus?«
    »Es geht mir nicht sehr gut«, antwortete er mit seiner gleichgültigen Stimme. Und da er auf der Bank Getuschel wahrzunehmen glaubte, meinte er: »Oh! Ich werde zu Hause hübsch gepflegt. Meine Frau ist sehr gut, sie verwöhnt mich … Aber ich brauche viel Ruhe. Deswegen gehe ich nicht mehr aus und sieht man mich nicht mehr so viel wie früher. Wenn ich gesund bin, werde ich die Geschäfte wieder aufnehmen.«
    »Soso!« unterbrach der frühere Gerbermeister grob. »Es wird behauptet, daß es Ihrer Frau nicht gut

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