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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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Zimmer meines Bruders schlafen lassen; ich würde ihr sagen, daß es gesünder sei … Reich mir doch das Glas rüber, Honoré.«
    Sie tranken beide, sie verkrochen sich wieder unter die Decken.
    »Ach was!« begann Trouche wieder. »Es wäre nicht leicht, sie zu veranlassen, sich fortzuscheren; aber man könnte es immerhin versuchen … Ich glaube, der Abbé hatte schon die Wohnung gewechselt, wenn er nicht fürchtete, daß die Hausbesitzerin einen Skandal machen würde, wenn sie sich verlassen sieht … Ich habe Lust, die Hausbesitzerin zu bearbeiten; ich werde ihr Geschichten erzählen, daß sie die beiden an die Luft setzt.« Er trank von neuem. »Wenn ich ihr den Hof machte, na, mein Liebling?« sagte er leiser.
    »Ach nein!« rief Olympe, die zu lachen begann, als werde sie gekitzelt. »Du bist zu alt, du bist nicht schön genug. Mir wäre das gleichgültig, aber sie will bestimmt nichts von dir wissen … Laß mich nur machen. Ich werde ihr was in den Kopf setzen. Ich werde Mama und Ovide kündigen, weil sie so wenig nett zu uns sind.«
    »Wenn du keinen Erfolg hast«, murmelte er, »werde ich im übrigen überall sagen, daß man den Abbé mit der Hausbesitzerin im Bett angetroffen hat. Das wird einen solchen Lärm machen, daß er schon gezwungen ist auszuziehen.«
    Olympe hatte sich im Bett aufgesetzt.
    »Das ist aber wirklich ein guter Gedanke!« sagte sie. »Gleich morgen muß man anfangen. Vor Ablauf eines Monats gehört die Bude uns … Ich werde dir für die Mühe einen Kuß geben.«
    Das erheiterte sie sehr. Sie sprachen davon, wie sie das Zimmer einrichten würden. Die Kommode käme an einen anderen Platz, aus dem Salon würden sie zwei Sessel heraufschaffen. Ihre Reden wurden immer wirrer. Schweigen trat ein.
    »He! Du bist also schon weg«, lallte Olympe. »Du schnarchst mit offenen Augen, Laß mich vorn liegen, ich will wenigstens meinen Roman auslesen. Ich bin nicht schläfrig.«
    Sie erhob sich, rollte ihn wie einen Sack zum schmalen Gang zwischen Bett und Wand und begann zu lesen. Aber schon bei der ersten Seite wandte sie den Kopf unruhig zur Tür. Sie glaubte, auf dem Korridor ein seltsames Knurren zu hören. Da wurde sie böse.
    »Du weißt genau, daß ich diese Scherze nicht liebe«, sagte sie und versetzte ihrem Mann einen Stoß mit dem Ellbogen. »Spiel nicht den Wolf … Man möchte meinen, ein Wolf ist vor der Tür. Mach weiter, wenn du Spaß dran hast. Na, du kannst einem aber auf die Nerven gehen.« Und wütend vertiefte sie sich in ihren Roman, nachdem sie die Zitronenscheibe ihres Grogs ausgelutscht hatte.
    Mouret entfernte sich mit seinem geschmeidigen Gang von der Tür, vor der er gehockt hatte. Er ging in den zweiten Stock hinauf, um sich vor Abbé Faujas Zimmer niederzuknien und den Kopf bis zum Schlüsselloch hochzurecken. Er erstickte Marthes Namen in der Kehle, durchwühlte mit glühendem Blick die Zimmerecken, vergewisserte sich, daß sie dort nicht versteckt wurde. Der große kahle Raum war von Schatten erfüllt, ein auf die Tischkante gestelltes Lämpchen ließ ein schmales Lichtrund auf den Fliesenfußboden fallen; der Priester, der schrieb, bildete selbst nur einen schwarzen Fleck inmitten dieses gelben Scheins. Nachdem Mouret hinter der Kommode, hinter den Vorhängen gesucht hatte, war er bei der eisernen Bettstelle verweilt, auf der der Hut des Priesters wie der Haarschopf einer Frau ausgebreitet lag. Marthe war zweifellos in diesem Bett. Die Trouches hatten ja gesagt, sie schliefe jetzt da. Aber er sah das kalte Bett mit dem glattgezogenen Laken, das wie ein Grabstein aussah; er gewöhnte sich an die Dunkelheit. Abbé Faujas mußte irgendein Geräusch hören, denn er schaute zur Tür. Als der Irre das ruhige Gesicht des Priesters erblickte, wurden seine Augen rot, kam leichter Schaum an seinen Mundwinkeln zum Vorschein; er unterdrückte ein Heulen, ging auf allen vieren über die Treppe, durch die Gänge und rief mit leiser Stimme immer wieder:
    »Marthe! Marthe!«
    Er suchte sie im ganzen Haus: in Roses Zimmer, das er leer fand, in Trouches Wohnung, die mit Möbelstücken aus anderen Räumen angefüllt war; in den früheren Zimmern der Kinder, wo er schluchzte, als ihm ein Paar ausgetretene Stiefelchen, die Désirée getragen hatte, in die Hände fielen. Er ging nach oben, kam wieder herunter, klammerte sich an das Treppengeländer, glitt an den Wänden entlang, machte, im Finstern tappend, die Runde durch die Zimmer, ohne sich zu stoßen mit der außergewöhnlichen
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