Die Erwaehlten
besuchen, in die Tat umgesetzt hatte. Den ganzen Tag war jedoch niemand ans Telefon gegangen. Sorgen machte sie sich keine – Jonathan konnte besser als sie alle auf sich selbst aufpassen. Aber Dess wollte wissen, was sich abgespielt hatte.
„Also, wir haben große Neuigkeiten für dich“, sagte sie.
„Kommt rein“, sagte Jessica und schob das Fenster auf. Dess sprang hinein und reichte Rex hinter sich die Hand, um ihm hinaufzuhelfen. Ihr fiel ein, dass sie einfach durch die Haustür hätten gehen können, aber die blaue Zeit verleitete jeden irgendwie zum Flüstern, Pläneschmieden und Schleichen. Jessica ließ sich auf ihr Bett plumpsen. Sie sah müde und abgekämpft aus. Für ein erstes Date war die Verabredung offensichtlich nicht so glänzend gelaufen. Vielleicht hatten die Darklinge die Party versaut.
Dess fiel auf, dass Jess sich die rechte Hand rieb, die ihr anscheinend wehtat. Sie wusste aus Erfahrung, was das zu bedeuten hatte: Alles war offensichtlich nicht schiefgegangen.
Dess schluckte ihre Frage runter. Sie konnte Jess morgen während der Studierstunde fragen, wenn Rex nicht dabei war, um zu explodieren.
„Wir sind gestern bei einer Lehrstätte gewesen“, sagte er.
„Der Trip war ziemlich haarig“, meinte Dess. „Massenhaft Darklinge da draußen.“
„Vielleicht haben wir aber herausgefunden, was los ist.“
Jessica sah auf. „Ich bin an allem schuld, oder?“
Rex sah sie kurz überrascht an, dann zuckte er mit den Schultern. „ Schuld bist du nicht unbedingt.“
„Aber es ist wegen mir. Diese Viecher haben sich bisher nicht um euch gekümmert. Seit ich hier bin, sind sie überall. Richtig?“
„Das stimmt“, gab Rex zu. „Die gewaltigen Bewegungen der Darklinge könnten mit deinem Eintreffen in Zusammenhang stehen. Aber nur vielleicht.“
„Vielleicht definitiv“, sagte Jessica. „Ihr habt eine eigene Welt, eine geheime Zeit nur für euch, und ich hab alles durcheinandergebracht.“
„Du hast nichts durcheinandergebracht. Die Darklinge waren schon vorher da, und wir haben schon vorher mit ihnen zu tun gehabt“, erwiderte Rex. „Aber du hast ihnen möglicherweise Angst eingejagt.“
„Angst?“
Dess setzte sich neben Jessica. „Jeder Midnighter hat sein spezielles Talent, Jessica.“
„Ist mir aufgefallen. Alle außer mir, um genau zu sein.“
Rex schritt im Zimmer auf und ab. „Die Lehre sagt, dass Darklinge schmecken können, wenn neue Midnighter in ihrem Revier eintreffen, genau wie Melissa. Sie spüren unsere Talente, und sie wissen, wann ein Neuer eine Gefahr für sie ist.“
„Ich, eine Gefahr für sie ?“,Jessica lachte auf. „Du machst wohl Witze. Bis jetzt tauge ich anscheinend hauptsächlich zum Katastrophenmagneten. Zur wandelnden Pechbeschwörerin.“
„Das liegt daran, dass sie Angst haben“, sagte Dess. „Sie sind immer noch Tiere, irgendwie – wilde Katzen.“
„Und du hast ihr Nest aufgestöbert.“
Dess verdrehte die Augen. „Katzen bauen keine Nester, Rex.“
„Na ja, dann eben ihr … Katzenhaus. Aber egal, welches Talent du hast, Jessica, es muss wichtig sein. Für uns.“
Sie sah zu ihm auf. „Bist du sicher?“
„Wenn sie dich haben wollen, dann brauchen wir dich“, meinte Dess.
„Aber sie wollen mich töten. “
„Deshalb müssen wir herausfinden, was du genau bist“, sagte Rex. „Wirst du uns dabei helfen?“
Jessica sah von einem zum anderen, starrte dann bedrückt aus dem Fenster in die blaue Zeit. Dess bemerkte die in sorgsamen Reihen unter beiden Fenstern angebrachten Reißzwecken und fragte sich, wie es wohl sein mochte, wenn man für die geheime Stunde im eigenen Zimmer eingesperrt war, während die ganze Welt draußen verlassen auf einen wartete.
Jessicas Zimmer sah irre sauber aus, als ob sie den ganzen Tag geputzt hätte. Wie Dess vermutet hatte, waren ihre Eltern nicht arm. Jessica hatte eine richtige Anlage und tonnenweise CDs. Trotzdem sah das Zimmer kaum bewohnt aus. Es fühlte sich nach einem einsamen Zimmer an.
Jessica seufzte, bevor sie antwortete. „Was muss ich tun?“
Rex lächelte. „Wir müssen dich in der geheimen Stunde zu einer der Lehrstätten bringen. Es gibt zwei Möglichkeiten, um herauszufinden, was für ein Talent du hast und wer du bist.“
„Einverstanden. Nur was passiert, wenn sich die Darklinge einmischen?“
„Sie werden es versuchen“, antwortete Dess. „Aber ich kann im Vorfeld Abwehrwaffen aufbauen, alles bei Tageslicht vorbereiten. Alles wird sicher sein, wenn
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