Die ewige Nacht: Die Legende von Wasgo (German Edition)
größere Gesteinsbrocken oder auch einige Pflanzen, nämlich Nachtschattengewächse, die der Ewigen Nacht bis zu diesem Zeitpunkt hatten trotzen können.
Am Bestimmungsort angekommen, landeten Wasgo und Jodaryon sanft auf den Boden. Hier fanden sie Schutz vor weiteren Murenabgängen und konnten sich erst einmal trocknen. Wieder einmal hatten sie Glück gehabt und der Natur trotzen können, überlegte Jodaryon. ‚Oder steckt Bossus dahinter?’, dachte er. Wie dem auch sei, noch ging es unseren Helden gut.
Einen Tag bevor Jodaryon und Wasgo sich vor der Mure retten konnten, kamen Luziferine und Antares in ein kleines friedliches Dorf, das am Fuße eines Berghanges lag. In der Nähe war ein Rinnsal, welches das Dorf mit Wasser versorgte. Dort konnten sie ihre Vorräte erneuern und ihren Weg fortsetzen. Doch bevor sie wieder aufbrachen, ruhten sie sich von den erlebten Strapazen etwas aus.
Sie blieben in der Kate bei einer alten Frau, die Antares und Luziferine zum Verweilen eingeladen hatte. Zum Abendbrot bot die Alte ihren Gästen etwas Hirsebrei, Brot und Wasser an: „Mehr habe ich leider nicht. Ich bin eine arme Frau, aber ich gebe es gerne und von Herzen. Was brauch' ich alte Frau auch mehr! Wenn ich doch nur einmal in meinem Leben die Sonne noch sehen könnte. Ich bin schon 94 Jahre alt, aber durfte bisher die Sonne nicht ein einziges Mal sehen. Aus alten Überlieferungen weiß ich, wie die Welt früher ausgesehen haben muss, aber zu gerne möchte ich sie so mit eigenen Augen einmal sehen. Aber das wird mir wohl nicht vergönnt sein. Ach, ich bin aber auch eine schreckliche Person“, lachte sie plötzlich, „ich schwatze und schwatze und lass euch gar nicht zu Wort kommen. Dabei könntet ihr mir bestimmt etwas Neues erzählen.“
„Ach, Mütterchen, was sollen wir dir schon erzählen können! Das Land ist in Aufruhr. Überall wird es unruhig. Die Menschen wollen das Tageslicht sehen, und doch können sie es nicht. Die Leute vom Herrscher der Welt unterdrücken die Menschen gewaltsam. Es gibt viel Leid“, antwortete Antares.
Die alte Frau setzte sich zu ihnen und sagte versonnen: „Ach, ja, so ist das.“ Dann wurde sie wieder etwas lebhafter und erzählte: „Der Adler des Lebens und der Weisheit ist in der letzten Zeit viel in unserer Gegend gesehen worden. Man sagt, dass die Tage der Herrschaft des Bossus‘ gezählt seien, wenn der Adler so oft zu sehen sei. Jeden Tag habe ich ihn in der letzten Woche gesehen. Ob da etwas Wahres dran ist? Dann kann ich vielleicht doch noch einmal in meinem Leben die Sonne sehen? Ach, wäre das schön.“
Luziferine nahm eine Hand der alten Frau in ihre und sagte: „Ich weiß, wie es dir geht. Ich glaube es auch, dass die Tage Bossus‘ gezählt sind. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir die Sonne zu Gesicht bekommen. Du wirst es erleben.“
„Ich habe gehört, dass zwei Zauberer unterwegs zum Herrscher sind, ein alter und ein junger. Die sollen gemeinsam mit ihren sich ergänzenden Kräften den Herrscher besiegen können, so sagt man. Sie wollen Bossus zum Kampf herausfordern. Der eine mit seiner Kraft der Weisheit und Erfahrung und der andere mit der Kraft seiner Jugend und Unschuld. Hoffentlich kommen sie ungeschoren davon, sie haben so viel Mut. Vor allem der Junge, er soll erst achtzehn Jahre alt sein und man sagt, dass ihm noch sehr schwere Prüfungen bevorstehen sollen. Der arme Junge, wenn der wüsste, auf was er sich eingelassen hat“, meinte die alte Frau mitfühlend.
Antares sah die Alte traurig an. Luziferine spürte die Liebe und Güte der alten Frau in ihrem Herzen. Tränen kullerten ihr die Wangen herunter. Mit einem Schluchzen sagte sie: „Er weiß es, gute Frau, er wurde sein ganzes Leben auf diesen einen Kampf vorbereitet.“
Die alte Frau stand spontan auf und nahm Luziferine in ihre Arme. „Ihr seid seine Eltern“, erkannte sie, „macht euch keine Sorgen um euren Sohn. Am Ende wird alles wieder gut werden.“
Luziferine und Antares blieben in dieser Nacht bei der alten Frau. So richtig schlafen konnten sie aber nicht. Immer wieder gingen ihnen die Worte der Alten im Kopf herum. Sie waren sehr beunruhigt und hatten Angst um ihren Sohn. Doch wussten sie auch, dass sie ihm nicht helfen konnten. Antares tröstete Luziferine mit den Worten, dass Jodaryon bei Wasgo sei und er schon auf ihren Sohn gut aufpassen werde.
Am nächsten Morgen musste das Ehepaar noch einmal mit der alten Frau gemeinsam essen, erst dann durften sich
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