Die ewige Prinzessin: Historischer Roman (German Edition)
so mutmaßte sie, habe die Zerstückelung Frankreichs zum Ziel, damit dieses übermächtige Land wieder zu dem Flickenteppich kleiner Herzogtümer würde, aus denen es vorher bestanden hatte.
Alle Großmachtpläne der Franzosen wären damit für Generationen zunichte gemacht. Katharina wusste, dass ihr Vater das christliche Europa insgesamt für stabiler hielt, wenn Frankreich nicht so mächtig war. Man konnte den Franzosen nicht zutrauen, dass sie im Zuge der Einheit Frieden und Wohlstand verbreiten würden.
M AI 1512
Unter den Augen des gesamten Hofstaates verließ die Flotte an diesem sonnigen Tag unter kräftigem Wind den Hafen. Zuversichtlich ritten Heinrich und Katharina zurück nach Windsor. Ihre Armee war die stärkste der Christenheit und würde nicht versagen.
Katharina nutzte den Augenblick und Heinrichs Begeisterung für die Flotte, um ihn zu fragen, ob er nicht auch der Meinung sei, England solle Galeeren bauen, von Ruderern bewegte Schlachtschiffe. Arthur hatte sie damals sofort verstanden, er hatte Zeichnungen dieser Schiffe studiert und ihre Einsatzmöglichkeiten in Erfahrung gebracht. Heinrich hingegen kannte weder Bilder von Seeschlachten, noch konnte er sich vorstellen, wie eine Galeere ohne Wind zu einem Wendemanöver fähig war und damit einem von einer Flaute betroffenen Segelschiff überlegen sein konnte. Katharina versuchte ihm die Vorzüge von Galeeren begreiflich zu machen, doch Heinrich, begeistert vom Anblick seiner Flotte unter vollen Segeln, schwor, dass er ausschließlich Segelschiffe haben wolle, große Segler mit freien Matrosen, die zu seinem Ruhme das Meer befuhren.
Der ganze Hof schlug sich natürlich auf die Seite des Königs, und Katharina wusste, dass sie sich an einem Hofe, der stets der neuesten Mode anhing, nicht durchsetzen konnte. Die Flotte hatte so prächtig ausgesehen, dass alle jungen Männer Admiral werden wollten wie Edward Howard, so wie sie im vorigen Sommer Kreuzritter hatten werden wollen. Dass große Segelschiffe im Nahkampf höchst verwundbar waren, wurde nicht diskutiert - alle träumten davon, unter prallen Segeln aufs Meer hinauszufahren. Jeder wollte am liebsten ein eigenes Schiff haben. Heinrich verbrachte Tage bei den Schiffsbauern auf den Werften, und Edward Howard setzte sich für eine noch größere Marine ein.
Katharina stimmte ihm zu, dass die Flotte durchaus prächtig sei und die englischen Matrosen die prachtvollsten auf der ganzen Welt wären, aber sie fand, es könne dennoch nicht schaden, an das Arsenal in Venedig zu schreiben und sich nach den Baukosten für eine Galeere zu erkundigen. Wenn man diese in Kommission bauen ließ, oder wenn sie in Teilen zusammen mit den Bauplänen nach England geschickt würde, dann konnten die englischen Schiffsbauer sie auch auf englischen Werften zusammensetzen.
»Wir brauchen keine Galeeren«, sagte Heinrich wegwerfend. »Galeeren taugen für Raubzüge an den Küsten, für gemeine Piraten. Wir aber wollen große Schiffe haben, die viele Soldaten tragen können. Wir brauchen große Schiffe, um die Franzosen auf See anzugreifen. Denn das Schiff ist der Ort, von dem der Angriff durchgeführt wird. Je größer das Schiff, desto mehr Matrosen können anmustern. Für eine Seeschlacht braucht man nun mal große Schiffe.«
»Sicherlich habt Ihr recht«, sagte Katharina. »Aber wir dürfen auch unsere anderen Feinde nicht vergessen. Das Meer ist eine Grenze, die wir mit großen und mit kleinen Schiffen sichern müssen. Aber auch unsere andere Grenze bedarf des Schutzes.«
»Sprecht Ihr von den Schotten? Die haben ihre Warnung vom Papst erhalten. Ich glaube nicht, dass sie uns in nächster Zeit belästigen werden.«
Katharina lächelte. Nie hätte sie sich dazu herabgelassen, in der Öffentlichkeit eine andere Meinung zu vertreten als ihr Ehemann. »Natürlich«, sagte sie höflich. »Der Erzbischof hat uns eine Atempause verschafft. Aber nächstes Jahr oder im Jahr danach müssen wir gegen die Schotten antreten.«
S OMMER 1512
Dann blieb Katharina nichts weiter übrig, als zu warten. Es schien, als warte die ganze Welt. Die englische Armee lagerte in Fuenterrabia und wartete auf die Spanier, um gemeinsam in Südfrankreich einzumarschieren. Während die Soldaten Däumchen drehten, kam die Sommerhitze, und die Engländer aßen schlecht und tranken wie verdurstende Wahnsinnige. Von Heinrichs Ratgebern wusste nur Katharina, wie sehr die spanische Sommerhitze einem Heer zusetzen konnte, das
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