Die facebook-Falle
»stattfindet«, hätten die Werber ihr Ziel erreicht. »Denn das ist eine Sache, die der Nutzer selbst interessant findet und wo man ihn nicht mit dem Holzhammer irgendwie hinprügeln muss«, so der Werbefachmann. Die Community-Manager von Scholz & Friends arbeiten zwar wie in einem digitalen Call-Center, allerdings nicht nur mit der Absicht, die Probleme der Kunden zu lösen. Vielmehr wollen sie den Menschen ein positives »Markenerlebnis« verschaffen.
Ein Freundesnetzwerk wird zum Konsumentennetzwerk
Ausgerechnet im großen Rauschen des Internets soll gelingen, was der Fernseh- und Hörfunkwerbung in Jahrzehnten nicht gelungen ist. Die Menschen sollen ein Produkt bereits erleben, bevor sie es in der Hand halten. Kein Wunder also, dass Werbestrategen von den enormen Potenzialen auf Facebook fasziniert sind. Die Kaufentscheidung werde ein
Stück weit in den Freundeskreis eingebettet: »Wenn ein anderer das gut findet, gucke ich mir auch an, welche Marke das denn ist, und die Kaufentscheidung wird dadurch beeinflusst. Ich glaube, dass die Marke dadurch eine gewisse Relevanz gewinnt«, erklärt Nico Lumma die ausgebuffte Strategie des »Freunde«-Konzerns. Der »Freund« verschmilzt mit dem Konsumenten, und neben dem Freundesnetzwerk entwickelt sich ein Konsumentennetzwerk. Das Werben wird zu einer privaten, freundschaftlichen Nebensache. »Für den Konsumenten bedeutet es, dass er sich in einem Umfeld bewegt, wo seine Freunde sind, und da wird Werbung ganz anders wahrgenommen«, erklärt Lumma, nämlich als »Inhalt«, der sogar einen Mehrwert biete, also keineswegs als störend oder ablenkend empfunden werde wie viele herkömmliche Internetwerbungen.
Natürlich behauptet auch die klassische Werbeindustrie, »Inhalte« zu verbreiten. Und Werbesprüche wie»Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso« haben sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Einige Elemente der klassischen Werbung haben sogar Eingang in die Alltagssprache und somit in die private Konversation gefunden. »Das ist doch Asbach!«, winkten wir als Pubertierende mit lässiger Geste ab, wenn eine Neuigkeit uns längst bekannt war. Keiner von uns stand damals auf Asbach uralt, aber der Slogan »Im Asbach-Uralt steckt der Geist des Weines« war allen geläufig. Was im analogen Zeitalter nur selten gelang, will Facebook nun weltumspannend erreichen: die Präsenz von Marken in der privaten Konversation.
Stellen Sie sich vor, wenige Tage nach einem abendlichen Einkaufsbummel durch Boutiquen und Kaufhäuser
mit anschließendem Abendessen in einem Restaurant quillt Ihr Briefkasten über von Werbung für all jene Produkte, die Sie an jenem Abend gekauft, für die Sie sich interessiert oder die Sie gelobt haben. Und obendrein finden Sie künftig auf Ihrem E-Mail-Account allwöchentlich den Newsletter des Restaurants. Vermutlich würden Sie sich fortan jede positive Regung in Geschäften und Lokalen verkneifen und wie ein stummer Androide durch die Welt des realen Kaufens und der sinnlichen Gaumenfreuden wandeln, um von solchen unerwünschten »Nebenwirkungen« verschont zu bleiben.
Etwas Vergleichbares geschieht auf Facebook. Wer »Gefällt mir« anklickt und damit auf simpelste Art seine Sympathie äußert, der signalisiert der Plattform zugleich: Ja, ich möchte gern mehr Informationen und Werbung zu dieser Marke erhalten. Ein einfacher Klick löst eine Lawine aus, der »Gefällt mir«-Button funktioniert wie eine gigantische Konsumentenabstimmung. An deren Aussagekraft allerdings auch unter Branchenkennern erhebliche Zweifel bestehen, weiß doch niemand, wie hoch der Anteil derer ist, die nur aus Lust und Laune einen »Gefällt-mir«-Botton anklicken. Aber darum geht es auch nicht. Denn das Ganze ist eher ein Spiel, das die Leute mitmachen können, denen es »gefällt«. Und die Rückmeldung dient zunächst auch gar nicht Marktforschungszwecken.
Denn klickt ein Freund den »Gefällt-mir«-Button an, dann sehen das auch alle seine »Freunde«. Seine Vorlieben werden den anderen aufs Auge gedrückt, ob sie wollen oder nicht. Und weil es seine Freunde sind, klicken sie die Inhalte nicht verärgert weg. Dieses Konzept ist beeindruckend,
spült es doch Milliarden in die Kassen der Werbewirtschaft, und wir empfinden es nicht als störend, weil wir nicht mit Anrufen oder Postwurfsendungen belästigt werden, sondern die Werbung durch unwillkürliche Handlungen im Netz selber übernehmen.
Die Frage ist, welche gesellschaftlichen Folgen dieses
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