Die Fäden des Schicksals
genervt. Als ich das silberne Kreuz an ihrer Halskette bemerkte, war ich mir sicher, dass es so gewesen sein musste.
Margot lächelte strahlend und blickte uns der Reihe nach an, als erwartete sie eine Antwort auf ihre – wie ich geglaubt hatte – rhetorische Frage. Liza schaute zu mir herüber. Es war nicht ihr übliches finsteres Starren, sondern ein so eindringlicher Blick, dass es mir die Hitze in die Wangen trieb. »Absolut«, sagte sie. »So etwas sollte niemand allein durchstehen müssen.«
Ich wandte den Blick ab und stimmte ihr zu: »Ja, natürlich. Ich tue gern, was ich kann.«
»Sehen Sie?«, sagte Margot zu Evelyn. »Dass wir drei noch so spät in den Laden kamen und versteckt im Hinterzimmer saßen, wo Sie uns erst fanden, nachdem alle anderen fort waren – all das war kein Zufall. Ich habe das Gefühl, wir sind heute aus einem ganz bestimmten Grund hier. Vielleicht scheint es Ihnen, als wären Sie mit dieser Situation allein, Evelyn, aber das stimmt nicht. Sie können jetzt wahrhaftig ein paar Freundinnen gebrauchen, und dazu sind wir da! Sie werden sehen: Wir werden Sie unterstützen. Wir sind alle dabei.«
Kaum hatte Margot, die Cheerleaderin, es ausgesprochen, hingen wir wirklich alle mit drin – ob wir nun wollten oder nicht.
Margot holte einen Notizblock aus ihrer Handtasche und legte mit ihrem Interview los. Zunächst fragte sie Evelyn, was das Gespräch mit dem Arzt ergeben hätte und an welche Informationen Evelyn sich noch erinnerte. Es waren nicht viele. Offenbar war das arme Ding angesichts der Diagnose in eine Art Schockzustand verfallen und hatte nicht viel von den Erläuterungen des Arztes mitbekommen.
Danach stellte Margot einige zum Teil sehr persönliche Fragen nach Evelyns Geschäft. Sie fragte nach der Finanzlage des Unternehmens, die offenbar ziemlich angespannt war, und erkundigte sich eingehend, was für Arbeiten gewöhnlich im Laden anfielen und ob in nächster Zeit irgendwelche Sonderaktionen geplant waren.
Zum Schluss wollte sie noch wissen, ob Evelyn Freunde oder Verwandte in New Bern besaß. In dieser Hinsicht hatte Evelyn nicht viel aufzuweisen. Da sie nach einer unerfreulichen Scheidung von Texas hierher gezogen war, fiel der Ehemann weg. Ihr einziger Sohn lebte in Seattle und damit zu weit entfernt, um von großem Nutzen zu sein. Da sie noch nicht lange in New Bern wohnte, hatte sie zwar einige Bekanntschaften geschlossen – wie zum Beispiel mit den Frauen, die ihr beim Quilt-Pink-Tag geholfen hatten –, hatte jedoch anscheinend noch nicht viele Freunde. Allerdings erfuhr ich zu meiner Überraschung, dass sie recht eng mit Charlie Donnelly befreundet war.
Ich finde Charlie großartig. Manche Leute lassen sich durch seine allseits bekannte ruppige Art abschrecken, aber mir gefällt sie. Ich habe nämlich herausgefunden, dass hinter seiner rauen Schale eine überaus charmante und geistreiche Persönlichkeit steckt, die zu entdecken sich ganz entschieden lohnt. Obwohl wir uns schon so lange kennen, könnte ich jedoch nicht behaupten, dass wir uns nahestehen. Soweit ich weiß, hat er überhaupt nur wenige enge Freunde. Daher fand ich es interessant, dass er und Evelyn sich auf Anhieb so gut verstanden.
Als Nächstes kam Margots Ermittlungstalent bei Liza und mir zum Zuge, als sie uns über unsere Interessen, Erfahrungen und Kontakte ausfragte, bevor sie uns etwas über ihre eigenen beachtlichen Fähigkeiten, insbesondere auf dem Gebiet Marketing und Public Relations erzählte. Dieses ganze Kennenlernspielchen mochte ja recht interessant sein, doch den Sinn und Zweck konnte ich nicht erkennen. Außerdem war es bereits acht Uhr. Florence Pearl gab eine Geburtstagsparty für ihren Mann Stephen. Offen gestanden kann ich Stephen, der eine Versicherungsagentur besitzt und mir ständig mit seinem Geschwafel von einer »angemessenen Absicherung« in den Ohren liegt, nicht leiden, doch Florence ist ganz nett, und ich hatte ihr versprochen vorbeizuschauen. Ich wollte schon die Geburtstagseinladung erwähnen, schwieg jedoch, als mein Blick auf Liza fiel. Sie saß auf der anderen Seite des Zimmers auf einem pflaumenfarbenen gepolsterten Hocker und hatte sich Margot zugewandt, doch ihr Blick huschte immer wieder verstohlen zu Evelyn hinüber. Die Party würde sich noch einige Stunden hinziehen, daher war es nicht so schlimm, wenn ich etwas später kam.
Mit ein bisschen Glück, dachte ich, kann ich die ganze Sache in einer halben Stunde hinter mich bringen und meine
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