Die Falken Gottes
tatsächlich in seiner Börse nach einem Doppelschilling fischte und ihn ihr zuwarf. Zudem überließ er ihr noch ein hellblaues Seidentuch, das sie um ihren Hals binden konnte, um die Flecken zu verbergen.
Im Refektorium nahmen sie eine Morgensuppe und einen Becher verdünnten Wein zu sich. Magnus erschnupperte skeptisch das süßliche Aroma und prüfte den Geschmack, indem er nur seine Zungenspitze in den Wein tauchte. Seit dem Anschlag auf sein Leben achtete er peinlich genau darauf, was er zu sich nahm – vor allem, wenn es ihm von fremden Händen gereicht wurde.
An dieser Mahlzeit konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen, und so stärkte er sich, wenngleich er nur wenig aß, da ihm die Schmerzen in seinem Bauch den Appetit nahmen.
Bald darauf verließen sie das Kolleg, um Karl aufzusuchen. Die schwülwarme Luft und ein entferntes Donnern kündigten ein Gewitter an. Noch regnete es aber nicht. Sie beeilten sich und überquerten den Domvorplatz. Als sie den Prinzipalmarkt erreichten, schwoll der Donner an, und ein Schauer prasselte auf sie hinab. Trotz des Regens blieb Anneke in der Nähe der Lambertikirche stehen und schaute zum Turm hinauf. Sie deutete auf die achteckige Kuppelspitze, an der drei eiserne Verschläge befestigt waren, und wollte wissen: »Was sind das für Käfige?«
»In ihnen befanden sich einstmals die Gebeine der Männer, die in Münster vor mehr als hundert Jahren für kurze Zeit ein heidnisches Königreich errichtet hatten«, erläuterte Magnus. »Hat man dir nie von den Wiedertäufern erzählt?«
Anneke schüttelte den Kopf. »Waren es Ketzer?«
»Die Täufer selbst sahen ihren Auftrag wohl als heilig an. Die Wiedertäufer wollten einen Gottesstaat errichten und |171| verboten jeglichen Zierat und Bilderwerk. Münster sagte sich von den Obrigkeiten und von der Kirche los, doch das Regiment dieser radikalen Reformatoren endete nach sechzehn Monaten in einem Meer von Blut, als der Bischof es mit Waffengewalt niederschlagen ließ.«
»Ihr sagt, es handelte sich um Reformatoren, also waren diese Täufer Protestanten wie Ihr und ich.«
»Nicht ganz«, sagte Magnus. »Die Lehre Luthers hat die Kirche reformiert und sie auf einen neuen Weg gebracht. Doch der Protestantismus ist und war niemals eine Einheit. Die Reformierten streiten mit den Lutheranern, und beide Parteien mißtrauen wiederum den Calvinisten und anderen Gruppierungen.«
Anneke schaute noch immer zum Kirchturm hinauf, doch Magnus zog sie nun mit sich, denn es regnete mittlerweile so heftig, daß sie unter einem Bogengang Schutz suchen mußten, bevor sie sich zum Roggenmarkt begeben konnten, wo Karl in einem Stall die Pferde und die Kutsche untergebracht hatte.
Sie fanden Karl schnarchend auf einer Strohschütte neben dem Pferdegatter. Magnus weckte den Kutscher, berichtete ihm, daß Anneke und er die Nacht im Jesuitenkolleg verbracht hatten, dann schickte er ihn aus, einen Krug Wein heranzuschaffen.
Nachdem Karl sich auf den Weg gemacht hatte, ließ Magnus sich mit Anneke auf dem Stroh nieder. Sie rückte ihre Haube zurecht und meinte vorwurfsvoll: »Wenn Ihr weiterhin soviel Wein in Euch hineinschüttet, werdet Ihr zur Mittagszeit bereits betrunken sein.«
»Im Gegenteil«, widersprach er. »Der Wein macht meinen Kopf nur klarer. Das Nachdenken fällt mir leichter, wenn ich ein wenig beschwipst bin.«
Anneke verzog das Gesicht und schien ihm nicht recht glauben zu wollen. »Und was genau denkt Ihr zu unternehmen, |172| jetzt, wo wir im Kolleg untergekommen sind?« fragte sie.
»Wir warten darauf, daß Pater Gregors Gast eintrifft«, antwortete Magnus. »Vigan wird uns von ihm fernhalten wollen, aber vielleicht bietet sich mir dennoch die Gelegenheit, in Erfahrung zu bringen, um wen es sich bei dieser geheimnisvollen Person handelt. Der Gast muß der Schlüssel zu all dem sein, was geschehen ist.«
»Habt Ihr denn eine Ahnung, wer es sein könnte?«
Magnus zögerte. »Ich vermute, daß die seltsamen Vorgänge in einem Zusammenhang mit dem Kongreß stehen. Und mit einem möglichen Friedensschluß. Vielleicht gibt es auch eine Verbindung zu den Entschädigungen, die das schwedische Heer einfordert.«
Anneke schaute ihn nur fragend an, und darum erklärte er ihr: »Der Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres ist ein General namens Carl Gustav Wrangel. Ihm wurde dieser Posten erst vor wenigen Monaten anvertraut. Für viele einflußreiche Männer ist der Krieg ein lohnendes Geschäft, und Wrangel macht kein
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