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Die falsche Tochter - Roman

Die falsche Tochter - Roman

Titel: Die falsche Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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erledigen, was sie sich vorgenommen hatte, schließlich waren es auch ihre Papiere. Sie atmete tief ein und trat zum ersten der hölzernen Aktenschränke. Das, was sie suchte, würde sie in diesem Zimmer finden, denn ihr Vater kümmerte sich um die Finanzen und die Familiendokumente. Sie öffnete die oberste Schublade und begann mit ihrer Suche.
     
    Eine Stunde später ging sie nach unten, um sich einen Kaffee zu kochen. Sie durchforstete die Speisekammer und fand eine Tüte mit fettarmen Kartoffelchips. Jämmerlich, dachte sie, während sie ihre Ausbeute nach oben trug. Warum lebte man überhaupt, wenn man nur noch Pappe essen durfte?
    Sie nahm sich vor, zehn Minuten Pause zu machen. Wenn sie in dem Tempo weiterarbeitete, würde sie sogar schneller fertig sein, als sie erwartet hatte. Ihr Vater hatte sämtliche Papiere peinlich genau geordnet, und wenn sie nicht an den Aufzeichnungen über ihre Schulzeit hängen geblieben wäre, wäre sie wahrscheinlich schon durch.
    Während sie den Kaffee trank, dachte sie über die alten Zeiten und ihre Schulfreunde nach. Schon in der Grundschulzeit hatte sie mit ihren Freunden gespielt, dass sie Archäologen wären. Ihr Freund Donny Riggs hatte eines Tages eine Strafpredigt
seiner Mutter über sich ergehen lassen müssen, weil die Kinder tiefe Löcher in ihrem Garten gegraben hatten.
    Dann erinnerte sie sich an ihren ersten richtigen Kuss, den sie mit dreizehn von ihrem großen Schwarm Joe Torrento bekommen hatte. Er trug eine schwarze Lederjacke und Red-Wing-Stiefel und kam ihr damals äußerst sexy und gefährlich vor. Das Letzte, was sie von ihm gehört hatte, war, dass er Biologie an der St. Bernadette’s High School in Cherry Hill unterrichtete, zwei Kinder hatte und Vorsitzender des örtlichen Rotarierclubs war.
    Ihre beste Freundin Natalie Carmichael hatte direkt nebenan gewohnt. Callie und sie standen sich so nahe wie Schwestern und teilten jedes Geheimnis. Als sie dann später verschiedene Colleges besuchten, versuchten sie zunächst noch, ihre Freundschaft aufrechtzuerhalten, aber sie hatten sich schließlich doch aus den Augen verloren.
    Da sie der Gedanke an Natalie traurig machte, beendete Callie ihre Pause und machte sich daran, die zweite Schublade im Aktenschrank zu durchsuchen. Sie enthielt medizinische Unterlagen, und für jedes Familienmitglied gab es eine Mappe. Als sie ihre eigene Mappe herausholte, wurde ihr klar, dass sie am besten gleich damit angefangen hätte. Nur bei diesen Unterlagen konnte sich der Beweis befinden, den sie suchte. Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch und öffnete die Mappe, in der sich zuoberst Unterlagen über ihre Impfungen, ihre Röntgenuntersuchungen und der Bericht über den Armbruch befanden, den sie sich zugezogen hatte, als sie mit zehn Jahren vom Baum gefallen war. Im Juni 1983 waren ihre Mandeln entfernt worden, und mit sechzehn hatte sie sich beim Basketballspiel den Finger verstaucht. Ihr Vater hatte alles aufgehoben, sogar die Berichte über ihre jährlichen Untersuchungen beim Gynäkologen, bis sie schließlich von zu Hause ausgezogen war.
    »Das ist nun wirklich übertrieben, Dad«, murmelte Callie. Erst als sie die Papiere ein zweites Mal durchgegangen war, fiel ihr auf, dass es keine Unterlagen über ihre Geburt gab.
Und keinen einzigen Bericht über die Vorsorgeuntersuchungen in den ersten drei Lebensmonaten.
    Aber das musste ja nichts bedeuten, wahrscheinlich bewahrte ihr Vater diese Papiere woanders auf. Vielleicht gab es ja eine zusätzliche Mappe mit Unterlagen über ihre Babyzeit. Oder er hatte sie in die Mappe ihrer Mutter einsortiert. Ja, genau, so musste es sein. Er musste die Papiere aus Vivians Schwangerschaft und Callies ersten Lebensmonaten zusammen abgelegt haben.
    Um sich selbst zu beweisen, dass sie sich keine Sorgen machte, schenkte sie sich noch einen Kaffee ein und trank erst einen Schluck, bevor sie aufstand und die Mappe ihrer Mutter aus der Schublade holte. Sie erlaubte sich keine Schuldgefühle, weil sie die Unterlagen anderer durchsuchte, schließlich musste sie diese Angelegenheit jetzt endlich abschließen. Deshalb blickte sie die Papiere in der Mappe nur rasch durch, ohne sie wirklich zu lesen.
    Zunächst stieß sie auf die Berichte über die beiden Fehlgeburten, die ihre Mutter erlitten hatte, eine im August 1969 und die zweite im Herbst 1971. Ihre Mutter hatte ihr einmal erzählt, wie niedergeschlagen sie danach gewesen war, und dass sie sogar wegen einer Depression behandelt

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