Die fantastische Reise ins Koenigreich der sieben Tuerme
zurück.
Ich blicke auf und entdecke ihn jetzt ganz in meiner Nähe, auf der anderen Seite der Schale, auf die er seinen tiefen nachtblauen Blick richtet. Er hat überhaupt nichts von der überirdischen Erscheinung eines Geistes. Ganz im Gegenteil, vor mir steht ein stattlicher alter Mann aus Fleisch und Blut, der sich für jemanden, der schon mehrere hundert Jahre tot ist, ziemlich gut gehalten hat. Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf das Quecksilber. Wir reiten im Trab durch eine seltsame Landschaft, die von einzelnen kleinen Felshügeln aus schwarzem Lavastein übersät ist. Auf einmal tauchen zwei schwer bewaffnete Krieger auf, die uns den Weg versperren. Ein Hinterhalt! Ergonthe zieht das Schwert und schlägt dem Krieger, der ihn von rechts angreift, den Kopf ab. Den zweiten durchbohrt er. Verstört schaue ich zu und beiße mir auf die Lippen wie bei einem rasanten Actionfilm. Da stürmt etwa ein Dutzend weiterer Angreifer auf uns zu. Unsere Equineds beißen erstaunlich wirkungsvoll nach rechts und links zu, während ich nicht mal mein Schwert aus der Scheide bekomme. Die Ohnmacht der schlimmsten Albträume meiner Kindheit! Als ich endlich in der Lage bin, mich meiner Haut zu wehren, bäumt sich mein Equined auf und wirft mich ab. Kaum bin ich wieder auf den Beinen, als eine massige, finstere Kreatur mit erhobener Klinge auf mich zustürzt. Ich kann sie zwar
nicht genau erkennen, aber sie flößt mir dennoch panische Angst ein. Wie man sich denken kann, spießt sie mich auf, durchbohrt mich und bricht in grauenvolles Hohngelächter aus. Ich sehe mich, wie ich zusammensinke und meinen letzten Atemzug tue. Das Quecksilber zeigt wieder mein aschfahles, jetzt vor Entsetzen erstarrtes Gesicht.
Ich hebe den Kopf und stammele: »Was hat das zu bedeuten?«
Der Große Späher schweigt. Er blickt mich betreten, vielleicht sogar mitfühlend an.
»Die Schale des Schicksals wirft wie jeder andere Spiegel nur das zurück, was man ihr zeigt. Wenn ich gewusst hätte, was du darin sehen würdest, hätte ich dir nicht vorgeschlagen, dich darüberzubeugen. Es tut mir leid.«
Ich steige vom Sockel hinunter und verlasse taumelnd diesen teuflischen Raum. Eigentlich kann mir das Ganze sowieso egal sein, denn ich träume ja gerade. Kurz davor, mich zu übergeben, erreiche ich mein Zimmer, ziehe mich aus und lege mich unter die Decke, die tatsächlich kalt wie der Tod ist. Und nehme mir fest vor, diesen furchtbaren, ein wenig zu realistischen Traum zu vergessen.
Morgen ist ein neuer Tag. Mein letzter?
VOM TRAUM ZUR WIRKLICHKEIT
B eim ersten Licht des neuen Tages kam Ergonthe in mein Zimmer und zerrte mich aus dem Bett. Ich war so tief in einem traumlosen Schlaf versunken, dass er mich sicher für tot hielt. Er musste mich schütteln und anbrüllen, damit ich endlich ein Augenlid hob. Fünf Minuten später folgte ich ihm schlurfend und noch halb benebelt bis in einen Saal ganz unten im Turm. Dort erwartete uns der lange Butler, der uns am Vorabend empfangen hatte. Er neigte respektvoll den Oberkörper und ich tat es ihm gleich.
»Für den Fall, dass wir bei unserer Rückreise nach Isparin eine verhängnisvolle Begegnung haben«, erklärte mir Ergonthe ernst, »habe ich vorgeschlagen, dass du mit einer Kampfausrüstung ausgestattet wirst. Akys III war einverstanden und gestattet dir, dich in seinem Waffenlager zu bedienen. Ich hoffe, du weißt diese Ehre zu schätzen.«
Diese Ankündigung weckte mich auf wie ein Schlag ins Gesicht.
»Aber ich bin doch kein Soldat! Ich kann nicht mit dem Schwert umgehen!«
»Es kommt ja auch nur darauf an, dass der Feind glaubt, dass du es kannst. Falls der Schändliche eine Invasion in
Erwägung zieht, so glaubt Akys III, wird er zuerst Kundschafter schicken, um die Situation auf dieser Seite der Grenze einzuschätzen. Da sie keinen Kampfauftrag, sondern nur einen Spionageauftrag haben, werden sie es nicht wagen, uns anzugreifen, vor allem dann nicht, wenn sie uns für erfahrene Krieger halten.«
»Unser Aussehen soll also abschreckend wirken?«
»So ist es.«
Ich war nicht überzeugt. Gewisse Bilder meines nächtlichen Ausflugs kehrten zurück und bezeugten genau das Gegenteil.
»ΓΔΨΘΣΛΠ wird dir helfen«, fuhr Ergonthe fort.
»Wie bitte?«
»In deiner Sprache spricht man es Shbocho aus«, erklärte er und zeigte auf den Dienstboten.
»Shbocho«, wiederholte ich bemüht.
»Wenn du fertig bist, kommst du nach oben zu uns in den Turm. Bis gleich, Thédric«, schloss der
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