Die Farbe der Gier
dem Schalter: Leapman hatte ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass Tina alles beobachten konnte, was sich in seinem Büro abspielte. Nachdem er einige Zeit gesucht hatte, entdeckte er den Schalter unter der Schreibtischplatte. Er legte ihn um, woraufhin ein kleiner Bildschirm in der Ecke aufleuchtete und ihm deutlich das Innere seines eigenen Büros zeigte. Fenston konnte nur ungläubig statten.
An seinem Schreibtisch saß Leapman, eine dicke Akte lag offen vor ihm. Bedächtig drehte er die Seiten um, manchmal hielt er inne, um einen Eintrag sorgfältig zu studieren, während er gelegentlich ein Blatt herauszog, es auslegte und es mit etwas fotografierte, was wie eine Hightech-Kamera aussah.
Fenston schossen mehrere Gedanken durch den Kopf.
Leapman sammelte möglicherweise Material, mit dem er ihn zu einem späteren Zeitpunkt erpressen konnte. Oder er ging mit den Informationen bei einer Konkurrenzbank hausieren. Oder das Finanzamt hatte ihn im Würgegriff und er hatte einen Deal geschlossen, um für die eigene Immunität im Gegenzug seinen Chef zu opfern. Fenston entschied sich für die
Erpressungsvariante.
Bald darauf wurde klar, dass Leapman es keineswegs eilig hatte. Offenbar hatte er diesen Zeitpunkt mit Bedacht gewählt.
Sobald er mit der Akte durch war, legte er sie methodisch zurück und wählte eine andere. Sein Ablauf änderte sich nicht: in aller Ruhe den Inhalt sichten, bestimmte Seiten sorgfältig inspizieren und gelegentlich ein Blatt abfotografieren.
Fenston überlegte sich mehrere Alternativen, bevor er sich schließlich für eine Lösung entschied, die Leapman angemessen war.
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Zuerst schrieb er die Reihenfolge der Schritte auf, die nötig waren, damit er nicht gefasst wurde. Sobald er sicher war, dass er die richtige Reihenfolge gefunden hatte, legte er einen Schaltet um, der verhinderte, dass man von seinem Büro aus telefonieren konnte. Geduldig blieb er am Schreibtisch seiner Sekretärin sitzen, bis er sah, wie Leapman eine weitere umfangreiche Akte öffnete. Dann schlich er hinaus auf den Flur und blieb vor seinem Büro stehen. Fenston ging die Reihenfolge noch einmal innerlich durch und, sobald er zufrieden war, trat er vor. Zuerst gab er den korrekten Code – 170690 – in den Kasten neben der Tür ein, als ob er gehen wollte. Anschließend drehte er den Schlüssel im Schloss und ließ die Tür nicht mehr als einen Zentimeter aufgleiten. Daraufhin schloss er sie sofort wieder.
Automatisch setzte der ohrenbetäubende Alarm ein. Fenston wartete noch acht Sekunden, bis die Sicherheitsgitter eingerastet waren. Dann gab er rasch den Code der letzten Woche – 170680
– ein, öffnete die Tür ein zweites Mal und schlug sie umgehend wieder zu.
Er hörte, wie Leapman durch den Raum rannte, offenbar in der Hoffnung, mit dem korrekten Code den Alarm ausschalten und die Gitter wieder hochfahren zu können. Aber es war zu spät.
Die Eisengitter rührten sich nicht und die überwältigende Kakophonie ging unablässig weiter.
Fenston wusste, dass ihm nur wenige Sekunden blieben, wenn er die Sequenz beenden wollte, ohne erwischt zu werden. Er rannte in das angrenzende Büro zurück und ging rasch die Notizen durch, die er auf dem Schreibtisch seiner Sekretärin zurückgelassen hatte. Er wählte die Notfallnummer von Abbott Security.
Eine Stimme meldete sich. »Wachhabender
Sicherheitsbeamter.«
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»Mein Name ist Bryce Fenston, Vorsitzender von Fenston Finance.« Er sprach langsam, aber mit Autorität. »In meinem Büro im 32. Stock wurde Alarm ausgelöst. Ich muss versehentlich den Code der letzten Woche eingegeben haben.
Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass es sich nicht um einen Notfall handelt.«
»Könnten Sie Ihren Namen wiederholen, Sir?«
»Bryce Fenston«, brüllte er über den Lärm der Sirene hinweg.
»Geburtsdatum?«
»6. Dezember 52.«
»Mädchenname der Mutter?«
»Madejski.«
»Private Postleitzahl?«
»Eins null null zwei eins.«
»Danke, Mr. Fenston. Wir schicken baldmöglichst jemanden in den 32. Stock. Die Techniker kümmern sich gerade um einen Vorfall im 17. Stock. Da steckt jemand in einem Aufzug fest. Es kann also einige Minuten dauern, bis sie bei Ihnen sind.«
»Keine Eile«, meinte Fenston beiläufig. »Es arbeitet derzeit niemand auf diesem Stock und der Bürobetrieb beginnt erst wieder morgen früh um sieben.«
»So lange werden wir ganz sicher nicht brauchen«, versprach ihm der Wachmann. »Aber mit Ihrer Erlaubnis, Mr. Fenston, ändern wir Ihre
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