Die Farbe der Gier
Verkehr. Olga Krantz wollte loslassen, aber sie wusste, dass jede Minute, die sie noch länger durchhielt, zu ihrem Vorteil gereichte. An einer Kreuzung kam der Wagen zum Stehen, bog dann scharf nach links und fuhr über einen scheinbar breiten, ungepflasterten Weg. Als sie an der nächsten Kreuzung hielten, lauschte die Krantz aufmerksam. Ein Laster hielt sie auf.
Langsam lockerte sie den rechten Arm, der schon beinahe taub war, zog das Messer aus ihrer Jeans, drehte sich zur Seite und stieß die Klinge in den hinteren rechten Reifen, immer und immer wieder, bis sie ein lautes, zischendes Geräusch vernahm.
Als der Wagen weiterfuhr, ließ sie sich zu Boden fallen und rührte sich keinen Millimeter, bis sie den Motor nicht länger hören konnte. Dann rollte sie zum Straßenrand und sah zu, wie die Limousine höher in die Berge fuhr. Solange der Wagen nicht außer Sichtweite war, versuchte sie erst gar nicht aufzustehen.
Sie hatte es nicht eilig. Schließlich würde der Wagen auf der anderen Seite des Berges auf sie warten. Sobald Olga Krantz sich erholt hatte, joggte sie langsam auf den nächsten Hügel zu.
Einige Meilen weiter vorn sah sie ein herrliches Anwesen, das sich in die Berge schmiegte und die umgebende Landschaft dominierte.
Als die Krantz über den Hügel kam, sah sie in der Ferne den Chauffeur, der vor einem platten Reifen kniete. Sie betrachtete prüfend die Privatstraße, die höchstwahrscheinlich zum Haus von Nakamura führte. Als sie näher kam, sah der Fahrer auf und lächelte. Olga Krantz erwiderte das Lächeln und joggte an seine 251
Seite. Er wollte etwas sagen, als die Krantz ihm mir einer raschen Bewegung des linken Beines erst gegen den Hals trat, dann in die Lenden. Sie sah zu, wie er auf dem Boden zusammenbrach, gleich einer Marionette, deren Fäden man durchtrennt hatte. Einen Augenblick lang überlegte sie, ihm die Kehle aufzuschlitzen, aber warum sollte sie sich nun, da sie das Gemälde hatte, diese Mühe machen, wo sie doch das Vergnügen haben würde, heute Nacht den Hals einer anderen zu durchtrennen. Außerdem wurde sie für ihn nicht bezahlt.
Wieder sah Olga Krantz die Straße auf und ab. Immer noch war die Luft rein. Sie lief zur Vorderseite der Limousine und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss, bevor sie nach hinten ging und den Kofferraum öffnete. Der Deckel glitt auf und ihr Blick fiel auf die Holzkiste. Sie hätte gelächelt, aber zuerst musste sie sicherstellen, dass sie sich die erste Million auch wirklich verdient hatte.
Die Krantz nahm den schweren Schraubenschlüssel aus dem Werkzeugkasten im Kofferraum und schob ihn in eine Lücke in der oberen rechten Ecke der Kiste. Es erforderte ihre ganze Kraft, den Deckel aufzuhebeln. Sie stellte fest, dass ihre Trophäe in Luftpolsterpapier verpackt war. Mit bloßen Händen riss sie die Verpackung auf. Und als auch die letzten Reste entfernt waren, starrte sie auf das preisgekrönte Gemälde von Danuta Sekalska mit dem Titel Freiheit.
Jack wartete noch eine Stunde, ein Auge in Erwartung des Kurzhaarschnitts auf die Tür gerichtet, das andere Auge in Erwartung von Anna Petrescu auf den Aufzug, doch keine von beiden tauchte auf. Es verging aber noch eine weitere Stunde, erst dann war Jack überzeugt, dass Anna über Nacht bleiben würde. Er begab sich müde zur Rezeption und erkundigte sich, ob sie noch ein freies Zimmer hatten.
»Name, Sir?«, fragte der Empfangsangestellte.
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»Fitzgerald«, erwiderte Jack.
»Ihren Pass, bitte.«
»Natürlich.« Jack zog seinen Pass aus einer Innentasche und reichte ihm das Ausweispapier.
»Wie viele Nächte werden Sie bei uns bleiben,
Mr. Fitzgerald?«
Jack wünschte, er hätte die Antwort auf diese Frage gewusst.
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19. SEPTEMBER
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35
ALS ANNA am nächsten Morgen aufwachte, rief sie als Erstes in Wentworth Hall an.
»Es wird knapp werden«, warnte Arabella, nachdem Anna ihr das Neueste berichtet hatte.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Anna.
»Fenston hat dem Anwesen eine Zahlungsaufforderung mit Konkursandrohung zukommen lassen. Er lässt mir 14 Tage Zeit, um meine Schulden zu tilgen, sonst verkauft er Wentworth Hall.
Wollen wir hoffen, dass Nakamura das nicht herausfindet, denn wenn er das tut, schwächt das Ihre Verhandlungsbasis.«
»Ich treffe ihn um 10 Uhr heute Morgen«, sagte Anna. »Ich rufe Sie wieder an, sobald er mir seine Entscheidung mitgeteilt hat. Aber bei Ihnen wird es dann mitten in der Nacht sein.«
»Ist mir egal, wie spät es ist«, meinte
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