Die Farben der Finsternis (German Edition)
eben. Im Gegensatz zu den Kindern, die er gewohnt war, war dieses hier blass und blond und hatte noch Babyspeck auf den kleinen Knochen. Eine willkommene Abwechslung.
Mr Craven lehnte sich in dem niedrigen Sessel im Regency-Stil zurück, der in der Ecke des großen Schlafzimmers stand, rauchte die dünne Cartier-Zigarette zu Ende und ließ seinen seidenen Morgenmantel offen. Obwohl der Junge mit dem tränenverschmierten Gesicht in seine Richtung sah, zeigte er angesichts von Mr Cravens nacktem Körper keine Anzeichen von Angst, trotz der Verletzungen, den dieser seinem eigenen zugefügt hatte. Überraschend war das nicht. Irgendwann zogen sie sich alle in sich selbst zurück, als könnten sie ausblenden, was mit ihrem Körper geschah. Kinder waren dazu in erstaunlichem Maße fähig, wie Mr Craven im Laufe vieler Jahre erkannt hatte. Vielleicht waren sie sich ihrer eigenen Sterblichkeit noch nicht wirklich bewusst und hatten keine Ahnung, wie wichtig ihr frischer neuer Körper für sie war. Das lernten sie in Mr Cravens Obhut allerdings sehr schnell. Dafür sorgte er gerne.
Die Haut des Jungen hatte rosa Flecken, und als Mr Craven den kleinen Blutfleck auf dem Baumwolllaken sah, der ihn daran erinnerte, wie der Anus des Kleinen gerissen war, war er von Neuem erregt. Er musste sich nie lange erholen. Vielleicht würde er bei diesem hier zum Messer greifen. Das würde wieder Leben in seine Schweinsäuglein bringen. Mr Craven konnte mit ihm machen, was er wollte. Der Junge war ein Niemand, ein Ausreißer aus einem Kinderheim, der ironischerweise auch noch aus genau diesem Grund weggelaufen war. Die Leiterin des Kinderheims würde nichts unternehmen. Etwaige Zweifel ihrerseits würde er sofort zerstreuen, indem er ihr sein wahres Ich offenbarte – außerdem zahlte er gut. Als er den stillen Jungen erneut musterte, ging ihm das Messer nicht mehr aus dem Kopf. Verstümmelung leistete er sich nur selten – er war nicht grausam –, aber er war total gestresst und musste sich irgendwie abreagieren. Es gab zu viele Veränderungen und allmählich hatte es den Anschein, als wären sie mit falschen Versprechungen hierhergelockt worden. Er lächelte. Er wollte den Hintern des Jungen ritzen und ihn schreien hören, während er versuchte sich zu befreien. Er wollte …
Als das Echo der Türklingel durch die große Wohnung hallte, seufzte Mr Craven wegen der groben Unterbrechung seiner genüsslichen Vorstellung. Er brauchte nicht zu überlegen, wer es sein könnte, denn abgesehen vom Netzwerk und seinen Lakaien kam niemand hierher. Es war zwei Uhr morgens. Was konnte zu diesem Zeitpunkt so wichtig sein?
Er band den Morgenrock zu und verließ den Raum, den er hinter sich abschloss. Der Junge sah völlig erledigt aus, aber man konnte nicht vorsichtig genug sein. Auf seine eigene Anordnung hin hatte in dieser Nacht keiner der Angestellten Dienst. Selbstverständlich hätten sie andernfalls über alles hinweggesehen und getan, was er ihnen auftrug,aber in letzter Zeit zog er es vor, seine Hobbys für sich zu behalten.
Vor der schweren Holztür wartete ein Mann in einem teuren maßgeschneiderten Anzug. Mr Craven sah ihn böse an.
»Sagen Sie nichts – schon wieder eine Besprechung? Falls es darum geht, dass Monmir tot ist, so ist das wahrhaftig nichts Neues.«
Als der Mann im Anzug schwieg, biss Mr Craven die Zähne zusammen und presste die schmalen Lippen aufeinander, bis sie fast nicht mehr zu sehen waren. Er unterdrückte den Impuls, den Mann zu schlagen oder ihm die Glieder einzeln auszureißen. Er war immer noch stark genug – schließlich schwächelte er nicht –, aber er wusste auch, dass Mr Bright das nicht so einfach hinnehmen würde. Möglicherweise wusste dieser Mann nicht genau, für wen er arbeitete, aber er war immer noch Mr Brights Mann. Mr Craven war es zwar eigentlich egal, was Mr Bright dachte, aber im Moment musste er wohl oder übel mitspielen.
»Gut, gehen wir.«
Überraschung flackerte in den Augen des Mannes. »Wollen Sie sich nicht etwas anziehen?«
Mr Craven sah an sich hinunter. »Bin ich etwa nackt?« Sein Blick war hart.
Der Mann sagte nichts mehr.
Mr Craven schaute noch mal kurz in die Wohnung. Man konnte nie wissen, wie lange solch ein Meeting dauern würde, und wenn er dann noch in Stimmung wäre, könnte er sich auch einen Neuen bestellen.
»Im Schlafzimmer befindet sich etwas, das an seinen Platz zurückgebracht werden muss.« Er machte eine Pause. »Vielleicht sollten Sie es erst
Weitere Kostenlose Bücher