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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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wir fahren nach Coventry.«
    »Humbug! Fahre nirgendwo hin. Bleibe hier und verteidige die Linien!«
    »Dann fahren wir eben ohne dich«, sagte sie. »Den Geistern muß unbedingt gehorcht werden. Baine, wann geht der nächste Zug nach Coventry?«
    »Neun Uhr vier, Madame«, erwiderte Baine wie aus der Pistole geschossen.
    »Ausgezeichnet«, sagte Mrs. Mering und drehte dem Colonel den Rücken zu. »Machen Sie die Kutsche für viertel nach acht bereit. Um halb neun fahren wir zum Bahnhof.«
    Baine war rechtzeitig bereit, aber wir nicht. Und um halb zehn auch nicht. Und um zehn ebensowenig. Glücklicherweise fuhren um neun Uhr neunundvierzig, zehn Uhr siebzehn und elf Uhr fünf auch noch Züge, welche Baine, das wandelnde Kursbuch, bei jeder Verzögerung, die eintrat, prompt herunterratterte.
    Und an Verzögerungen gab es einiges. Mrs. Mering erklärte, durch die morgendliche Aufregung fühle sie sich ganz schwach, und sie könne nicht fahren, ohne vorher ein stärkendes Frühstück bestehend aus Blutwurst, Kedgeree und gefüllter Hühnerleber gegessen zu haben. Tossie konnte ihre lavendelfarbenen Handschuhe nicht finden, und Jane brachte den falschen Schal. »Nein, nein, der Kaschmirschal ist zu warm für Juni«, meinte Mrs. Mering. »Holen Sie den Schal mit dem Schottenmuster, den aus Dunfermline.«
    »Wir werden Mr. C verpassen«, sagte Verity, die in der Halle wartete, während Mrs. Mering zum wiederholten Male den Hut wechselte.
    »Nein, bestimmt nicht«, sagte ich. »In einer halben Stunde brechen wir auf und erreichen noch den Zug um elf Uhr sechsundzwanzig. Das Tagebuch sagte nichts über die Uhrzeit. Beruhigen Sie sich.«
    Verity nickte. »Ich habe über des Bischofs Vogeltränke nachgedacht«, sagte sie. »Was, wenn jemand etwas darin verbarg, um jemand anderen davon abzuhalten, es zu stehlen? Und zurückkam, um es wieder zu entfernen, aber keine Zeit dazu hatte und deshalb einfach das ganze Ding mitnahm?« Sie schaute die Treppe hoch. »Wozu um alles in der Welt brauchen die so lange? Es ist beinahe elf Uhr.«
    Tossie kam die Stufen heruntergetrippelt, in lavendelfarbenen Handschuhen und einem Potpourri fliederfarbener Rüschen. Sie schaute aus der Haustür.
    »Es sieht nach Regen aus«, sagte sie stirnrunzelnd zu Mrs. Mering, die auch gerade die Treppe herunterkam. »Wenn es regnet, werden wir gar nichts besichtigen können. Vielleicht sollten wir bis morgen warten, Mama.«
    »Nein!« sagte Verity entschieden. »Vielleicht will Lady Godiva uns etwas äußerst Wichtiges mitteilen.«
    »Es sieht nach Regen aus«, bestätigte Mrs. Mering. »Hat Baine die Schirme eingepackt?«
    »Ja«, sagte ich. Ebenso die Reiseführer, den Picknickkorb, das Riechsalz, eine Spirituslampe, Mrs. Merings Stickerei, Tossies Roman, Terences Tennyson-Ausgabe, einige Hefte des wöchentlichen Spiritismus-Magazins »Das Licht« und eine Anzahl Reisedecken, was er alles so gut verstaute, daß in den zwei Kutschen auch noch Raum für Fahrgäste blieb, obwohl es wahrscheinlich besser war, daß Professor Peddick sich entschieden hatte, bei Colonel Mering zu bleiben.
    »Ich möchte einige Dinge über die Schlacht von Thermopylae mit ihm diskutieren«, sagte er zu Mrs. Mering.
    »Na gut. Passen Sie aber auf, daß er bei Regen nicht draußen bleibt«, sagte sie, ihrem Gatten gegenüber offenbar wieder etwas versöhnlicher gestimmt. »Er holt sich sonst den Tod.«
    Terence brachte Cyril herbei und hievte ihn aufs Trittbrett.
    »Mr. St. Trewes«, sagte Mrs. Mering in wagnerianischem Ton. »Sie wollen doch nicht etwa diese Kreatur mitnehmen!«
    Terence hielt inne, so daß Cyrils Hinterbeine in der Luft baumelten. »Cyril ist der perfekte Gentleman, wenn’s um Bahnfahren geht«, erklärte er. »Er war schon überall mit der Bahn – London, Sussex, Oxford. Er liebt es nämlich, aus dem Fenster zu schauen, nach Katzen und allem möglichen. Und er kam immer ausgezeichnet mit den Schaffnern aus.«
    Aber nicht mit Mrs. Mering.
    »Ein Eisenbahnabteil ist kein Aufenthaltsort für ein Tier«, sagte sie.
    »Und ich habe mein neues Reisekleid an.« Tossie strich mit einem lavendelfarbenen Handschuh über die Rüschen.
    »Er wird furchtbar enttäuscht sein.« Terence setzte Cyril zögernd wieder auf den Boden.
    »Unsinn!« sagte Mrs. Mering. »Hunde haben keine Gefühle.«
    »Mach dir nichts draus, Cyril«, sagte Professor Peddick. »Du kannst mit mir zum Fischteich kommen. Ich habe Hunde schon immer außerordentlich gern gemocht. Wie Maud, meine Nichte,

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