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Die Farben des Alls

Die Farben des Alls

Titel: Die Farben des Alls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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mich aufrechterhalten. Nun bin ich hier, und du bist fort, du wirst nie mehr zurückkommen! Ihm wurde vage bewußt, daß Raynor Drei aufstand und leise aus dem Zimmer ging, um ihn alleinzulassen. Er legte den Kopf in die Arme und ließ seinem Kummer freien Lauf. Er weinte.
    Nach einer Weile hob er den Kopf und schneuzte sich. Dabei spürte er, wie sich in seinem Gesicht neue, härtere, ungewohnte Züge formten, und er gewöhnte sich allmählich an die unabänderliche und schmerzvolle Wirklichkeit. Sein Vater ist tot. Seine gefährliche, mit vollem Einsatz gespielte Verfolgungsjagd fand nicht in der glücklichen Wiedervereinigung mit seinem Vater ihr Ende. Sie konnten nicht zusammensitzen und über seine ausgestandene Angst lachen. Sein Vater war tot, und er, Bart, war allein und in Gefahr. Sein Gesicht hatte einen überaus grimmigen Ausdruck angenommen und wirkte viel älter als seine siebzehn Jahre.
    Nach langer Zeit öffnete Raynor Drei behutsam die Tür und sagte: »Sie müssen etwas essen, Bart.«
    »Ich habe keinen Hunger.«
    »Aber ich«, meinte Raynor, »und Sie müßten auch welchen haben. Na, kommen Sie schon, seien Sie nicht kindisch. Sie werden es brauchen.« Er drückte auf verschiedene Tasten, und die Wände gaben Tisch und Stühle frei. Raynor öffnete Packungen warmer Fertiggerichte und verteilte sie auf dem Tisch, wobei er bemerkte: »Sieht gut aus; das Lob geht aber nicht an meine Adresse, sondern an meinen Küchenservice, der warme Gerichte über ein pneumatisches Rohrsystem liefert.«
    Bart wurde schlecht bei dem Gedanken an Essen, doch als er aus Höflichkeit ein paar Gabelbissen genommen hatte, stellte er fest, daß er völlig ausgehungert war – kein Wunder, nach den wochenlangen synthetischen Mahlzeiten im All –, und er aß alles auf, was sich in Reichweite befand. Nachdem sie ihr Mahl beendet hatten, steckte Raynor die leeren Kartons in den Müllschlucker, ging hinüber zu einer kleinen Bar und drückte Bart ein Glas in die Hand.
    »Trinken Sie das.«
    Bart setzte das Glas an die Lippen, verzog das Gesicht und stellte es wieder hin. »Vielen Dank, aber ich trinke nicht.«
    »Betrachten Sie es als Medizin. Sie werden es brauchen«, drängte ihn Raynor Drei mürrisch. »Ich habe Ihnen eine Menge zu erzählen, und ich möchte nicht, daß Sie mitten im Satz umkippen. Sollten Sie eine Beruhigungsspritze vorziehen, so bin ich einverstanden, ansonsten verordne ich Ihnen dieses Getränk.« Er bedachte Bart mit einem kleinen gequälten Lächeln. »Ich bin nämlich Arzt.«
    Bart kam sich recht kindisch vor. Sein Protest war ihm nun peinlich, und er schluckte das Getränk hinunter. Es brannte im Mund, doch danach hatte er ein warmes Gefühl im Magen, das sich über seinen ganzen Körper ausdehnte und ihm äußerstes Wohlbehagen bereitete. Alkohol war es nicht, aber was es auch immer gewesen sein mochte – das Getränk hatte es in sich! Ihm kam zu Bewußtsein, daß er mit größter Fürsorge behandelt wurde.
    »Und? Geht’s besser?«
    Bart murmelte: »Ja, danke.«
    Nach einer Weile fragte er: »Warum geben Sie sich solche Mühe mit mir, Raynor. Es muß doch für Sie gefährlich sein.«
    »Ja, wissen Sie denn nicht – « Raynor hielt inne. »Ach so, Sie sind ja als Weganer aufgewachsen. Ihre Mutter hat allem Anschein nach nicht besonders viel über ihren mentorianischen Stammbaum erzählt. Sie waren noch sehr klein, als sie starb.
    Der Vater Ihrer Mutter war ein Raynor – Raynor Zwölf, um es genau zu sagen.«
    Wieder lächelte er Bart an, diesmal etwas wehmütig. »Ich fordere keine verwandtschaftlichen Privilegien, bis Sie davon überzeugt sind, daß Sie mir vertrauen können«, meinte er.
    »Sie müssen verstehen, für mich war es ein Schock«, erklärte Bart.
    Raynor Drei lehnte sich zurück, mit einem Drink in der Hand.
    »Es ist eine lange Geschichte«, begann er. »Ich kenne nur einen Teil davon. Vielleicht können Sie den Rest herausfinden und einfügen.«
    »Ich bin Mentorianer. Unsere Familie, die Raynors, hat schon seit Generationen mit den Lhari Handel getrieben – was aber nicht besagt, daß wir unbedingt der Meinung sind, daß das Abkommen mit den Lhari in Ordnung ist oder gerecht. Als junger Mann bekam ich eine Anstellung als Arzt auf Lhari-Raumschiffen, und seitdem bin ich von einem Stern zum anderen gehüpft. Die Leute nennen mich einen Lhari-Sklaven, und vielleicht stimmt das auch – mag sein, daß alle Mentorianer Lhari-Sklaven sind«, bemerkte er sarkastisch. »Ich fliege

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